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ob der Rat wirklich einsah, daß wir uns innerhalb der Schranken rechtmäßiger Verteidigung gehalten hatten – man versprach uns, beim Admiral unsere Begnadigung zu erwirken unter der Bedingung, daß wir unsere Kameraden zum Gehorsam brächten. Wir versprachen alles, was man nur wollte, denn nichts macht gefügiger, als den Strick am Halse zu spüren.

Danach wurden unsere Kameraden an Bord des Schiffes gebracht und mit der Mannschaft, die sie ergänzen sollten, in die Zwischendecke verteilt. Alles verlief in der besten Ordnung. Es erhob sich nicht die geringste Klage, nicht die leiseste Unordnung war zu schlichten. Aber wir wurden allerdings auch nicht mißhandelt, wie an Bord der Smacke, wo der Zeugmaat Befehle nie anders austeilte, als mit dem Tauende in der Hand. Ich wurde mit einer gewissen Rücksicht behandelt, wohl weil ich den Soldaten Unterricht im Fechten erteilte; ich wurde sogar zum Bombardier ernannt, mit einem Monatssold von achtzehn Gulden.

Zwei Monate gingen auf diese Art hin, ohne daß die Nähe der englischen Kreuzer uns erlaubte, die Reede zu verlassen. Ich fühlte mich in meiner neuen Stellung nicht übel, ich dachte auch nicht daran, sie sobald aufzugeben. Aber da erfuhren wir, daß die französische Regierung Recherchen anstellte wegen der französischen Staatsangehörigen, die sich auf holländischen Schiffen befänden. Die Gelegenheit war günstig für diejenigen, die mit dem Dienst unzufrieden waren. Aber niemand machte von ihr Gebrauch, denn erstens wollte man uns ja nur haben, um uns in die französischen Linienschiffe zu stecken, die keineswegs besser waren, und außerdem hatten, wie ich annehmen mußte, die meisten meiner Kameraden ebenso wie ich allen Grund, sich nicht vor dem Polizeiagenten der Hauptstadt zu zeigen. Man schwieg also. Die Behörde ließ sich von der Schiffsverwaltung die Liste geben, aber das hatte durchaus keinen Erfolg, aus dem einfachen Grund, weil wir alle falsche Namen trugen. Wir glaubten, der Sturm sei vorüber.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_170.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)