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ihn die dritte. Er entfloh noch zweimal, wurde aber eingefangen und starb endlich 1805 im Bagno zu Rochefort.

Bei unserer Ankunft in Montereau war ich Zeuge einer Szene, die man kennen sollte, weil sie sich wiederholen kann. Ein Sträfling namens Mauger hatte einen jungen Mann aus dieser Stadt gekannt, von dem seine Verwandten annahmen, er sei zu Zuchthaus verurteilt worden. Mauger veranlaßte nun seinen Nachbar im Zuge, das Gesicht mit einem Taschentuch zu bedecken, und sagte zu den Leuten, die herbeigelaufen kamen, der Mann mit dem Tuch vor dem Gesicht sei der betreffende. Wir setzten unseren Weg fort, aber als wir eine Viertelmeile von Montereau entfernt waren, holte uns jemand ein und übergab dem Hauptmann eine Summe von fünfzig Franken „für den Mann mit dem Tuch vor dem Gesicht“. Dieses Geld wurde abends an die Beteiligten ausgeliefert, ohne daß jemand die Ursache der Freigebigkeit ahnte.

In Sens gab Jossas ein anderes Schauspiel zum besten. Er hatte einen gewissen Sergent zu sich bestellt, dem das Gasthaus „Zum Taler“ gehörte. Kaum erblickte ihn der Mann, als er sich in Klagen erging.

„Wie!“ rief er mit Tränen in den Augen. „Sie sind’s, Herr Marquis! … Sie, der Bruder meines ehemaligen Herrn! … Ich glaubte, Sie wären schon wieder längst in Deutschland … O Gott, o Gott, welch ein Jammer!“

Jossas hatte sich nämlich bei einem Aufenthalt in Sens für einen heimlich zurückgekehrten Emigranten und den Bruder eines Grafen ausgegeben, bei dem Sergent als Koch gedient hatte. Jossas erklärte ihm, er sei in dem Augenblick, da er mit einem nachgemachten Paß über die Grenze kommen wollte, angehalten und als Fälscher verurteilt worden. Der brave Gastwirt beschränkte sich nicht auf Tränen allein. Er ließ dem noblen Galeerensklaven ein Diner servieren, an dem auch ich teilnahm, – mit einem Appetit, der zu meiner schlimmen Lage gar nicht paßte.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_180.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)