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ich mir nicht erklären konnte. Dann zog er aus seiner Jagdtasche ein Stück Brot, teilte es mit mir und gab mir aus seiner Flasche zu trinken. Das Mahl kam mir sehr gelegen, denn ich war ganz erschöpft. Trotz der Dunkelheit gingen wir so schnell, daß ich müde wurde: meine Beine, die lange Zeit außer Übung waren, taten mir weh. Als es auf einer Dorfuhr drei schlug, erklärte ich, ich könnte nicht weiter gehen.

„Pst!“ rief mein Begleiter, indem er sich bückte und das Ohr an die Erde legte. „Horchen Sie wie ich. Mit dieser verwünschten polnischen Legion muß man stets auf der Hut sein. Haben Sie nichts gehört?“

Ich antwortete, daß ich Schritte von Menschen gehört zu haben glaubte.

„Ja,“ sagte er, „sie sind’s. Rühren Sie sich nicht, oder wir sind verloren.“

Kaum hatte er das gesagt, als auf das Gebüsch, wo wir versteckt lagen, eine Patrouille zukam.

„Seht Ihr etwas?“ sagte man ganz leise.

„Nichts, Herr Sergeant.“

„Verdammt! Es ist stockduster. Der Donner mag diesen Hundsfott erschlagen. Nun treiben wir uns die ganze Nacht im Walde herum, wie die Wölfe … Ah, wenn ich diesen Herrn Roman, diesen Kerl, oder einen seiner Leute erwische …“

Mir war bei der Sache nicht ganz wohl.

„Haben Sie Furcht?“ fragte mich mein Gefährte.

„Jetzt wäre wohl nicht die Zeit dazu,“ antwortete ich.

„Nun, dann folgen Sie mir! Da haben Sie meine Pistolen. Wenn ich schieße, drücken Sie ebenfalls ab, damit die vier Schüsse nur einen einzigen bilden … Es ist Zeit … Feuer!“

Die vier Schüsse wurden losgedrückt, und wir jagen aus aller Leibeskraft davon, ohne verfolgt zu werden. Die Furcht, in einen Hinterhalt zu fallen, hatte die Soldaten zurückgehalten. Wir laufen aber immer weiter. Endlich kamen wir an ein einsames Bauernhaus, und der Unbekannte sagte zu mir:

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_198.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)