Seite:Landstreicherleben 202.jpg

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wieder gefaßt würde, so blieb mir, als entsprungenem Sträflinge, nicht einmal die Hoffnung auf Begnadigung, wie den anderen Leuten, die bei uns waren. In dem Moment, da mir meine Lage klar war, beschloß ich, zu fliehen. Ich war aber erst kürzlich in die Bande aufgenommen worden, und so war es wahrscheinlich, daß man mich stets im Auge behielt. Konnte mein Wunsch, mich zurückzuziehen, nicht Argwohn erregen? Roman konnte mich am Ende für einen Spion halten und mich erschießen lassen … Tod und Schande drohten mir von allen Seiten.

So mochte ich mich elf Tage unter den Banditen befunden haben, als ich eines Nachts durch einen ungewöhnlichen Lärm geweckt wurde. Man hatte einem unserer Kameraden eine ziemlich gespickte Börse gestohlen, – daher kam der Skandal. Da ich die kürzeste Zeit dabei war, so fiel natürlich der Verdacht auf mich. Der Bestohlene beschuldigte mich, und die ganze Bande stimmte mit ein. Ich beteuerte meine Unschuld, aber es wurde dennoch beschlossen, mich zu durchsuchen. Ich hatte in den Kleidern geschlafen; nun begann man mich auszukleiden. Wie groß war aber das Erstaunen der Banditen, als sie auf meinem Hemde … das Geleerenzeichen entdeckten!

„Ein Galeerensträfling …!“ rief Roman. „Ein Sträfling unter uns … Das kann nur ein Spion sein …Schlagt ihn tot … Knallt ihn nieder!“

Schon hörte ich die Gewehre laden …

„Einen Augenblick!“ rief der Anführer, „zuerst muß er das Geld wiedergeben! …“

„Gewiß,“ sagte ich, „das Geld sollen Sie haben, aber zuerst müssen Sie mir eine Unterredung unter vier Augen gewähren.“

Roman willigte ein. Er glaubte, ich wollte ihm Geständnisse machen. Aber als ich mich mit ihm allein sah, beteuerte ich aufs neue meine Unschuld und nannte ihm ein Verfahren, den Dieb zu entdecken, ein Verfahren, das ich bereits bewährt gefunden

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_202.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)