Seite:Landstreicherleben 268.jpg

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plötzlich durch einen Flintenschuß geweckt: sofort ist der ganze Posten auf den Beinen. Zuerst lasse ich, wie üblich, die Schildwache ablösen: es war ein Rekrut, dessen Tapferkeit mir nicht viel Vertrauen einflößte. Ich frage ihn aus, und aus seinen Antworten schließe ich, daß er blinden Lärm geschlagen hat. Ich untersuche das Pulvermagazin, eine ehemalige Kirche, von außen; ich lasse die Laufgräben absuchen: nichts ist zu sehen, nirgends ist die Spur von menschlichen Schritten zu finden. Überzeugt, daß es falscher Lärm war, weise ich den Soldaten zurecht und drohe ihm mit Arrest. Indessen frage ich ihn bei meiner Rückkehr in die Wachtstube aufs neue aus, und der bestimmte Ton, mit dem er behauptet, jemanden gesehen zu haben, und die Einzelheiten, die er mir angibt, lassen mich wieder glauben, daß seine Furcht nicht unberechtigt war. Ich werde von einer Ahnung ergriffen; ich gehe wieder hinaus und begebe mich zum zweitenmal nach dem Pulvermagazin, dessen Tür ich schon geöffnet finde. Ich reiße sie auf und gleich beim Eintritt wird mein Blick von dem schwachen Schein eines Lichtes überrascht, das zwischen zwei hohen Reihen von Patronenkisten aufzusteigen scheint. Schnell durcheile ich diese Art von Gang, an dessen Ende sehe ich … eine brennende Lampe unter einer Kiste, die an die andern anstößt. Die Flamme züngelt bereits am Tannenholz, und schon verbreitet sich ein Harzgeruch. Es ist kein Augenblick zu verlieren; ohne zu zögern lösche ich die Lampe, stürze die Kiste um und lösche den Rest des Brandes mit meinem Urin. Die nun eingetretene totale Dunkelheit garantierte mir, daß ich den Brand gelöscht hatte. Aber ich beruhigte mich erst, als der Geruch gänzlich verschwunden war.

Wer war der Brandstifter? Ich wußte es nicht, aber ich hegte starken Verdacht gegen den Magazinaufseher, und um die Wahrheit zu erfahren, begab ich mich auf der Stelle in seine Wohnung. Seine Frau war allein anwesend; sie sagte, ihr Mann sei durch Geschäfte in Boulogne aufgehalten worden und dort über Nacht geblieben; am nächsten Morgen würde er wieder zu

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_268.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)