Seite:Landstreicherleben 275.jpg

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alten Kameraden vom Regiment übernachten. Ich wurde auch gut aufgenommen, aber so vorsichtig man sein mag, man ist nie auf unvorhergesehene Fälle gefaßt. Ich hielt die Gastfreundschaft eines Kameraden für besser als ein Gasthaus, aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn mein Freund hatte sich vor kurzem verheiratet und der Bruder seiner Frau war einer jener Eigenbrödler, deren Seelen sich aus dem Ruhm nichts machen, und die dem Lande nur den Frieden wünschen. Daraus folgte natürlich, daß das von mir gewählte Domizil, wie die Wohnungen aller Verwandten des jungen Mannes, häufigen Besuch von Herren von der Gendarmerie enthielt. Die kamen denn auch richtig lange vor Tagesanbruch und verlangten ohne Rücksicht auf meinen Schlaf meine Papiere. Da ich keinen Paß vorzeigen konnte, versuchte ich sie mit Erklärungen abzufinden, – aber es war verlorene Liebesmühe. Der Wachtmeister musterte mich einen Augenblick und rief dann auf einmal:

„Ich irr’ mich doch nicht, er ist es wirklich! Ich habe ja den Kerl in Arras gesehen – es ist Vidocq!“

Ich mußte aufstehen, und eine Viertelstunde später befand ich mich im Gefängnis von Béthune.

Aber mein Aufenthalt in Béthune dauerte nicht lange: gleich am folgenden Tage wurde ich unter guter Bedeckung nach Douai weitertransportiert.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_275.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)