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Tage ließ mich der Advokat in Douai, der aufrichtiges Interesse für mich hatte, ein Gesuch unterschreiben, das er für mich aufgesetzt hatte.

Ich wartete noch auf die Antwort, als ich eines Morgens in die Kanzlei gerufen wurde: ich glaubte, es würde die Entscheidung des Ministers wegen meiner Befreiung sein. Voll Ungeduld folgte ich dem Wärter mit der Eiligkeit eines Menschen, der einer guten Nachricht entgegenläuft. Ich glaubte, den General-Prokurator zu erblicken, aber vor mir steht in Begleitung zweier unbekannter Personen … meine Frau. Ich versuche, zu erraten, was die Veranlassung zu diesem Besuch sein mochte; aber da sagt Frau Vidocq im unbefangensten Tone zu mir:

„Ich komme, um Ihre Unterschrift für die Ehescheidungsklage zu holen: da ich mich wieder verheiraten will, so brauche ich diese Formalität. Der Gerichtsdiener wird Ihnen die Akte vorlegen.“

Abgesehen von meiner Befreiung konnte mir nichts Angenehmeres mitgeteilt werden als die Auflösung dieser Ehe; nun war ich für immer von einem Geschöpf befreit, das ich verabscheute. Ich weiß nicht mehr, ob ich meiner Freude Herr wurde, aber sicher malte sie sich auf meinem Gesichte, und wenn mein Nachfolger, wie ich starken Grund anzunehmen hatte, anwesend war, so mußte er sich davon überzeugen, daß ich weit davon entfernt war, ihn um den Schatz zu beneiden, der nun in seinen Besitz überging.

Meine Haft in Douai zog sich entsetzlich in die Länge. Ich war bereits fünf Monate im Gefängnis, und aus Paris kam immer noch keine Antwort. Allerdings hatte mir der General-Prokurator viel Teilnahme bezeugt, aber das Unglück macht mißtrauisch, und ich begann schon zu fürchten, daß er mir nur Hoffnung gemacht habe, um mich von einem Entweichen abzuhalten. Dieser Gedanke setzte sich in meinem Kopfe fest, und ich begann voll Feuer an einem Fluchtversuche zu arbeiten.

Der Gefängniswärter, ein gewisser Wettu, hielt mich schon im voraus für so gut wie begnadigt und gewährte mir verschiedene

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_277.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)