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es wenigstens, man wird später sehen, ob ich mich nicht getäuscht hatte.

Die Unterstützung meiner gewesenen Frau wurde für mich eine Last, der ich mich fügte, – aber noch kannte ich nicht die ganze Schwere dieser Last. Vierzehn Tage verrinnen seit unserer Begegnung. Eines Morgens bittet man mich, in die Rue de l'Echiquier zu kommen. Ich gehe hin und finde am Ende eines Hofes, in einer ziemlich sauberen, aber ärmlich möblierten Parterrewohnung nicht allein meine Frau, sondern auch ihre Nichten und deren Vater, den Terroristen Chevalier, der eben eine sechsmonatliche Gefängnisstrafe wegen Silberdiebstahls hinter sich hatte. Ein einziger Blick genügte, um mich davon zu überzeugen, daß die ganze Familie mir auf den Hals kam. Alle diese Leute waren aller Mittel bar; mir graute vor ihnen, ich verfluchte sie, und doch konnte ich nichts Besseres tun, als ihnen die Hand reichen. Ich ließ mir also das Blut abzapfen. Sie zur Verzweiflung bringen, hätte nur geheißen, mich ins Verderben zu stürzen, und lieber wollte ich meinen letzten Sou opfern, als in die Hände der Greifer fallen.

Zu jener Zeit schien sich alles gegen mich verschworen zu haben. Jeden Augenblick mußte ich immer wieder in die Börse greifen, und für wen? Für Geschöpfe, die sofort bereit waren, mich zu verraten, sobald ich ihnen keine Geldquelle mehr bot. Zu Hause erwartete mich ein neues Ungemach, das mit dem Bagnoflüchtling in Zusammenhang stand. Annette und meine Mutter weinten. Während meiner Abwesenheit hatten zwei Betrunkene nach mir gefragt; als sie vernahmen, ich sei nicht zu Hause, brachen sie in Schmähungen und Drohungen aus, die keinen Zweifel über ihre niederträchtigen Absichten ließen. Nach der Beschreibung, die mir Annette von diesen beiden Individuen gab, konnte ich leicht Blondy und seinen Kumpan Duluc erkennen. Es war nicht schwer, ihre Namen zu erraten; zudem hatten sie ihre Adresse zurückgelassen, mit der strikten Aufforderung, vierzig Franken hinzubringen. Ich war gehorsam, nur zu gehorsam,

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_285.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)