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Einundzwanzigstes Kapitel


Die Hetze


Ich wurde also zum Hehler! Ich war zwar Verbrecher wider Willen, aber ich war’s doch, denn ich leistete dem Verbrechen Hilfe.

Man kann sich kaum vorstellen, in welcher Hölle ich lebte. Ich war in beständiger Erregung; Gewissensbisse und Angst – alles peinigte mich zu gleicher Zeit. In der Nacht, am Tage, in jedem Augenblick war ich auf dem Sprung. Ich schlief nicht, ich verlor den Appetit, meine Geschäfte interessierten mich nicht mehr – alles wurde mir zum Ekel. Nein, nicht alles – hatte ich doch an meiner Seite Annette und meine Mutter.

Mich marterte die Familie Chevalier, die mich aussaugte; mich quälte Blondy, der mir immerzu Geld erpreßte; ich war entsetzt über all die entsetzliche Unabänderlichkeit meiner Lage und schämte mich tief, von den gemeinsten Kreaturen der Erde mich treten lassen zu müssen. Ich litt maßlos darunter, daß ich die Kette nicht brechen konnte, die mich unwiderruflich an den Abhub der Menschheit fesselte – so fühlte ich mich der Verzweiflung nahe und wälzte acht Tage lang in meinem Kopfe die düsteren Pläne. Blondy, dieser gottverdammte Blondy, erregte meine Wut am wildesten. Ich hätte ihn erwürgen mögen, aber ich mußte ihn bei mir empfangen und ihn gut behandeln. Bei meinem wilden und heftigen Charakter war so viel Geduld geradezu ein Wunder, aber ich hatte sie Annette zu verdanken.

Eines Tages erschien bei mir Blondy mit Duluc und noch

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_288.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)