Seite:Landstreicherleben 303.jpg

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am Hosengürtel festgebunden und war nicht zu sehen; ein paar Lappen, die in den oberen Teil des Ärmels gesteckt wurden, erhöhten noch die Illusion; eine Pomade schließlich, mit der ich mir Haare und Bart färbte, machte mich völlig unkenntlich. Ich war nun so sicher, der Polizei ein Schnippchen geschlagen zu haben, daß ich noch am selben Abend mich in das Quartier Saint-Martin wagte. Dort erfuhr ich, daß die Polizei nicht nur immer noch meine Wohnung besetzt hielt, sondern daß sie auch ein Inventar meines Ladens und Mobiliars aufgenommen hatte. Aus der Anzahl der Agenten, die kamen und gingen, mußte ich schließen, daß die Nachforschungen nach mir mit verdoppelter Intensität abgehalten wurden. Es war ein außerordentlicher Fall für jene Zeit, da die Polizei nicht besonders viel Eifer entwickelte, wenn es sich nicht gerade um eine politische Verhaftung handelte. Durch all diese Anstalten erschreckt, hätte es jeder andere sicher für geboten gehalten, Paris – wenigstens eine Zeitlang – zu meiden. Es war gewiß ratsam, den Sturm vorbeiziehen zu lassen, aber ich konnte mich nicht entschließen, Annette allein zu lassen, inmitten dem Ungemach, das ihr ihre Treue zu mir verursachte. Sie hatte wirklich viel auszustehen: fünfundzwanzig Tage wurde sie auf der Präfektur in Haft zurückgehalten; man drohte ihr, sie ins Gefängnis Saint-Lazare überzuführen, wenn sie nicht meinen Aufenthaltsort nennen würde. Aber selbst, wenn man ihr das Messer auf die Brust gesetzt hätte, würde mich Annette nicht verraten haben.

Ich wohnte in der Rue Tiquetonne bei einem Weißgerber namens Bouhin. Dieser wollte mir um ein mäßiges Entgelt einen Paß verschaffen, der auf mich stimmte. Sein Signalement paßte so ziemlich auf mich. Ich freute mich schon auf dieses Papier, das für meine Freiheit bürgte. Da vertraute mir eines Tages Bouhin ein Geheimnis an, das mich erschauern ließ. Dieser Mensch war nämlich Falschmünzer und um mir eine Probe seiner Kunst zu zeigen, warf er acht Fünffrankstücke vor mir auf

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_303.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)