Seite:Landstreicherleben 313.jpg

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würde ich von ihm wichtige Mitteilungen herauslocken können. Ich fasse ihn, bedrohe ihn, und er gesteht mir zitternd, er sei Schuhmacher, und Watrin wohne bei ihm in der Rue des Mauvais-Garçons Saint-Germain, Nummer vier. Mehr brauchte ich nicht. Ich hatte über dem Hemd nur einen leichten Rock angezogen; ohne mich weiter anzukleiden, eile ich vor das bezeichnete Haus und komme gerade in dem Moment an, da jemand das Haus verlassen will. Fest davon überzeugt, daß es Watrin ist, will ich ihn greifen; er entschlüpft mir, ich stürze hinter ihm her die Treppe hinauf. Im Augenblick, da ich ihn packen will, schleudert mich ein Fußtritt in die Brust zwanzig Stufen hinab. Ich springe wieder auf und verfolge ihn so lebhaft, daß er, um mir zu entkommen, sich gezwungen fühlt, durch ein Flurfenster in seine Wohnung zu schlüpfen. Ich klopfe an die Tür und fordere ihn auf, zu öffnen, er weigert sich.

Annette war mir gefolgt. Ich heiße sie, die Polizei holen, und während sie geht, tue ich so, als ob ich ebenfalls die Treppe hinunterginge. Er fällt auch wirklich auf diese Finte herein, will sich vergewissern, ob ich wirklich fort sei und steckt den Kopf zum Fenster hinaus. Darauf wartete ich bloß. Ich packe ihn am Haar, er erfaßt mich auf dieselbe Art, und so entsteht ein heftiger Kampf.

Er stemmt sich gegen die Mauer, die uns trennt, und setzt mir einen hartnäckigen Widerstand entgegen. Ich merke jedoch, daß er schwach wird; ich sammele meine Kräfte zu einem letzten Angriff, nur noch seine Füße sind im Zimmer, noch eine Anstrengung, und ich habe ihn neben mir. Ich ziehe an ihm mit aller Kraft, und er fällt mir in den Korridor. Ihm das Messer entreißen, mit dem er bewaffnet war, ihn fesseln und zum Hause hinausbringen, war die Sache eines Augenblicks. Nur von Annette begleitet, brachte ich ihn auf die Polizeipräfektur. Dort beglückwünschte mich zuerst Henry und dann der Präfekt selbst, der mir auch eine Belohnung in Geld geben ließ.

Watrin war ein Mann von seltener Geschicklichkeit; trotz seines

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_313.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)