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behauptet, du seist nur entlassen worden, weil du Geheimagent der Polizei bist.“

Bei dem Wort „Geheimagent“ fühlte ich mich dem Ersticken nahe. Aber ich faßte mich sofort, und Saint-Germain mußte wohl nichts gemerkt haben, denn er wartete ruhig auf meine Antwort. Meine Geistesgegenwart, die mich nie verläßt, machte, daß ich bald die nötige Antwort fand.

„Ich bin gar nicht überrascht,“ sagte ich zu ihm, „daß man mich für einen Polizeiagenten hält. Ich kenne die Quelle dieses Gerüchtes. Du weißt, ich sollte nach Bicêtre zurückgebracht werden; ich bin unterwegs durchgebrannt und blieb dann in Paris, weil ich sonst nirgends hingehen konnte. Man muß eben sehen, wie man fertig wird. Ich muß mich leider verborgen halten, daher verkleide ich mich so oft, aber manchmal werde ich doch von jemanden erkannt, zum Beispiel von denjenigen, mit denen ich intimer zusammengelebt habe. Und wie leicht kann unter denen einer sein, der Interesse daran hätte, mich auszuliefern? Nun, um ihnen die Lust dazu zu nehmen, sage ich solchen, die ich für fähig halte, mich zu denunzieren, ich sei Geheimagent.“

„So ist’s recht,“ rief Saint-Germain. „Ich glaube dir, und um dir einen Beweis meines Vertrauens zu geben, will ich dir sagen, was wir heute abend vorhaben. An der Ecke von der Rue d'Enghien und der Rue Hauteville wohnt ein Bankier. Sein Haus liegt in einem großen Garten, der unseren Plan und unsere Flucht begünstigen muß. Heute geht der Bankier aus. Der Geldschrank, in dem sich viel Gold und Silber, ebenso wie viel Banknoten befinden, wird nur von zwei Personen bewacht. Wir haben nun beschlossen, uns heute abend über ihn herzumachen. Bis jetzt sind wir zu dritt, du kannst der vierte sein. Wir haben auf dich gerechnet. Wenn du dich weigerst, bekräftigst du die Ansicht, du seist ein Spitzel.“

Da ich Saint-Germains Hintergedanken nicht kannte, so ging ich mit viel Eifer auf seinen Vorschlag ein. Boudin und er schienen mit mir zufrieden zu sein. Bald kam der dritte, den ich

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_319.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)