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führte mich in eine Kneipe, und wir tranken dort einige Flaschen Bier. In dem Moment, da wir in die Wohnung zurückkehren wollen, erblicke ich Annette, die auf mich wartet. Jeder andere hätte sie unter ihrer Verkleidung nicht erkannt. Als ich gewiß bin, daß sie mich gesehen hatte, lasse ich, während ich ins Hause gehe, den Zettel fallen, und überlasse mich meinem Schicksal.

Es ist mir schwer, alle Schrecken zu beschreiben, die ich durchgemacht habe, während ich auf den Augenblick des Aufbruchs wartete. Trotz der Anweisungen, die ich gegeben hatte, fürchtete ich, sie könnten zu spät kommen, und schon würde das Verbrechen begangen sein. Durfte ich allein es wagen, Saint-Germain und seine Genossen zu verhaften? Das wäre ein unnützer Versuch gewesen! Und wer stand mir dafür, daß, falls das Verbrechen begangen würde, ich nicht verurteilt und als Mitwisser bestraft würde? Ich wußte, daß in manchen Fällen die Polizei ihre Agenten preisgegeben hatte; manchmal wiederum konnte sie das Gericht nicht verhindern, sie für schuldig zu erklären.

Ich befand mich in dieser qualvollen Situation, als Saint-Germain mich beauftragte, Debenne zu begleiten. Sein Wagen sollte an der Straßenecke warten, damit er die Gold- und Silbersachen aufnehmen konnte. Wir gehen hinunter. Beim Verlassen des Hauses sehe ich wieder Annette, die mir Zeichen macht, daß meine Botschaft ausgerichtet ist. In diesem selben Moment fragt mich Debenne, wo wir ihn treffen sollten. Ich weiß nicht, welcher gute Genius mir den Gedanken eingab, diesen Unglücklichen zu retten. Ich hatte gemerkt, daß er im Grunde nicht bösartig war. Er schien zum Verbrechen eher aus Not und durch üble Ratschläge, als aus Neigung getrieben worden zu sein. Und so bezeichnete ich ihm eine ganz andere Stelle, als jene, die mir angegeben war. An der Ecke des Boulevard Sant-Denis traf ich Saint-Germain und Boudin wieder. Es war erst halb elf. Ich sagte, der Wagen werde erst in einer Stunde bereit sein, ich hätte Debenne angewiesen, sich an der Ecke der Rue du Faubourg-Poissonière aufzuhalten und auf das verabredete Signal

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_323.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)