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den Kutscher um die Sauberkeit des Wageninnern besorgt machen, aber ich versprach doppelte Bezahlung, und so nahm er uns auf. Bald rollten wir auf dem Pariser Pflaster dahin. Zur größeren Sicherheit binde ich meinen Gefährten an, der sich gegen mich hätte auflehnen können. In Anbetracht meiner Kraft brauchte ich dieses Mittel nicht, aber ich hoffte ihn zu einem Geständnis zu bringen und wollte es mit ihm nicht verderben.

Delzève sah ein, wie unmöglich ein Fluchtversuch wäre. Ich versuchte ihm Vernunft beizubringen. Um ihn kirre zu machen, bot ich ihm eine Erfrischung an, er nahm an: der Kutscher verschaffte uns Wein, und wir fuhren ohne ein bestimmtes Ziel trinkend weiter.

Es war noch früh am Morgen. Da ich fest überzeugt war, daß es vorteilhaft für mich sei, dieses Tete-a-tete in die Länge zu ziehen, so schlug ich Delzève vor, mit mir in einem Restaurant in einem Separé zu frühstücken. Er war beruhigt und schien mir nicht mehr zu grollen. Er lehnt die Einladung nicht ab und ich fahre mit ihm in den „Cardan bleu“. Aber noch bevor wir dort angelangt waren, hatte er mir bereits wichtige Mitteilungen über eine ganze Anzahl seiner Komplizen gemacht, die noch frei in Paris herumliefen. Ich glaubte fest, daß er bei Tisch ganz auftauen würde. Ich ließ ihn wissen, daß er sich lediglich durch ein Geständnis der Polizei angenehm machen könne; als der Wagen vor der Tür hielt, war er schon ganz entschlossen. Ich ließ ihn vor mir die Treppe hinaufgehen; im Moment, als wir uns zu Tisch setzten, bat ihn ihn, damit wir in aller Ruhe essen könnten, um die Erlaubnis, ihn auf meine Manier binden zu dürfen. Ich wollte ihm volle Freiheit für Arme zur Führung von Messer und Gabel lassen, und mehr Freiheit braucht man ja bei Tische nicht. Er fühlte sich durch meine Vorsicht keineswegs beleidigt, und ich tat folgendes: mit zwei Servietten band ich ihm jeden Fuß an ein Stuhlbein, drei oder vier Zoll über dem Fußboden, so daß er nicht aufstehen konnte, ohne zu riskieren, sich Hals und Genick zu brechen.


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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_341.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)