Seite:Landstreicherleben 360.jpg

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nicht mehr, ich bedankte mich noch einmal und verabschiedete mich von ihm. Um gewiß zu sein, daß er nicht Lust bekam, beiden Parteien zu dienen und mich verriet, ließ ich ihn durch meine Agenten überwachen, vor allem aber verhindern, daß er wieder in die Weinkneipe kam …

Fossards Freunde, das heißt seine Denunzianten, hatten die Warnung ausgesprochen, daß er bei sich stets einen Dolch und Pistolen trage; eine Doppelpistole sollte er sogar in einem Taschentuch versteckt, stets in der Hand halten. Diese Nachricht gebot Vorsicht; soweit man Fossards Charakter kannte, war außerdem auch zu erwarten, daß er vor keinem Morde zurückschrecken würde. Ich wollte keineswegs als Schlachtopfer dienen. Das sicherste Mittel, sich der Gefahr zu entziehen, schien mir, sich mit dem Weinhändler in Einverständnis zu setzen, bei dem Fossard wohnte. Dieser Weinhändler war ein braver Mann, aber die Polizei steht im allgemeinen in so üblem Ruf, daß ehrliche Leute nicht immer gesonnen sind, ihr Beistand zu leisten. Ich wollte mir also seine Beihilfe durch Berührung seiner eigenen Interessen sichern. Unter verschiedenen Verkleidungen war ich bereits zweimal bei ihm gewesen, und hatte Gelegenheit genommen, mich über die Örtlichkeit wie über das Personal des Ladens zu orientieren. Darauf kam ich in meiner gewöhnlichen Kleidung zum Wirt und sagte, ich wollte ihn unter vier Augen sprechen. Er führte mich in eine Kammer und ich erklärte ihm folgendes:

„Ich bin von der Polizei beauftragt, Sie zu benachrichtigen, daß Sie bestohlen werden sollen. Der Dieb, der den Diebstahl plant, wohnt in Ihrem eigenen Hause; die Frau, die mit ihm lebt, kommt manchmal zu Ihrer Frau ins Kontor. Während der Unterhaltung hat sie einen Schlüsselabdruck von der Tür genommen. Alles ist vorgesehen: die Klingelschnur sollte durchschnitten und die Tür verrammelt werden. Und wenn sie einmal drin sind, steigen sie in ihr Zimmer; sollten Sie unterdessen erwacht sein, so brauche ich Ihnen nicht zu erzählen, was geschehen würde, denn Sie haben’s mit einem ausgemachten Verbrecher zu tun.“


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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_360.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)