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„Die würden uns die Gurgel abschneiden,“ sagte der Weinhändler entsetzt. Er rief sofort seine Frau und teilte ihr die Neuigkeit mit.

„Na, meine Liebe, trau’ du einem! Diese Frau Hazard, auf die wir Gift nehmen würden, will uns den Hals abschneiden. Heute nacht sollten wir niedergemacht werden.“

„Aber nein, Sie können ganz ruhig sein,“ sagte ich, „nicht heute nacht. Sie wollten zuerst den Heiligen Dreikönigstag vorbeigehen lassen. Aber wenn Sie verschwiegen sind und mich unterstützen, so kriegen wir sie herunter.“

Frau Hazard war niemand anders als Fräulein Tonneau; unter diesem Namen war sie und Fossard im Hause bekannt. Ich bat den Weinhändler und seine Frau – sie waren entsetzt – ihre Mieter mit der gewöhnlichen Freundlichkeit zu behandeln. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß sie alles tun wollten, was ich verlangte. Es wurde ausgemacht, daß ich mich, damit ich Fossard besser sehen und ihn sicherer packen konnte, in einer kleinen Kammer unter der Treppe verbergen sollte.

Am 31. Dezember, abends elf Uhr, im Moment, da alle meine Batterien geladen sind, kommt Fossard nach Hause. Er ahnt nichts Arges und steigt pfeifend die Treppe hinauf. Zwanzig Minuten später zeigt mir das ausgelöschte Licht, daß er zu Bett gegangen sein muß: ein günstiger Augenblick! Der Kommissar und die Gendarmen warteten auf der nächsten Wache auf Nachrichten. Ich lasse sie kommen, und sie schleichen geräuschlos in das Haus. Wir beraten, wie wir sie am besten ergreifen könnten, ohne daß jemand getötet oder verwundet wird, denn man war überzeugt, daß der Bandit sich auf den Tod wehren würde.

Die Weinhändlersfrau, mit der Frau Hazard befreundet war, hatte einen Neffen bei sich. Es war ein zehnjähriger Junge, ziemlich intelligent für sein Alter und um so geldgieriger, als er aus der Normandie stammte. Ich verspreche ihm eine Belohnung, wenn er unter dem Vorwand, seine Tante sei unwohl, zu Frau Hazard gehe und sie um etwas Eau-de-Cologne bitte. Ich

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_361.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)