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Paul Dehn: Zur Wiederbelebung der deutschen Donau.

Zur Wiederbelebung der deutschen Donau.
Von Paul Dehn.

Seit einiger Zeit beschäftigt sich die Handelsabtheilung des Bezirksgremiums zu Donauwörth mit Bestrebungen, welche auf eine bessere Nutzbarmachung der oberen Donau auf deutschem Gebiete abzielen. Obschon der Vorsitzende des genannten Gremiums, Hr. Buchhändler Auer in Donauwörth, der zuständigen Handels- und Gewerbekammer für Schwaben und Neuburg in Augsburg unlängst erklärt hat, daß die erwähnten Bestrebungen noch nicht so weit gediehen seien, um eine eingehende Vorlage für die Kammer zu ermöglichen, so erscheint es uns doch schon jetzt angemessen, auf Grund der thatsächlichen Verhältnisse Stellung zu nehmen zu jenen Bestrebungen, um vergeblichen Anstrengungen und neuen Enttäuschungen vorzubeugen, wie sie unvermeidlich eintreten müssen, wenn der fernere Gedanke, in Augsburg eine große Speditionsgenossenschaft für den Rhein- und Donauverkehr zwischen Mainz und Belgrad zu errichten, zur Verwirklichung gelangen sollte.

Seitdem das deutsch-österreichisch-ungarische Eisenbahnnetz im Wesentlichen ausgebaut worden ist, hat die Wasserstraße der Donau ihre frühere verkehrspolitische Bedeutung merklich eingebüßt, da sie mit ihrer Unzulänglichkeit die in jeder Hinsicht überlegene Concurrenz der Eisenbahnen nicht zu ertragen vermag. Diese Unzulänglichkeit beruht in ihrer Natur. Bis in die Gegend von Gran oder oberhalb Pest führt die Donau grobes Geschiebe, bis dorthin ist sie ein großer Wildbach, wie etwa der obere Rhein bis Speyer oder die Rhone bis Avignon, indeß noch bei ungünstigeren Verhältnissen. An jenen Stellen, wo sie sich durch felsigen oder sonst festeren Grund ihr Bett gegraben, ist allerdings auch die obere Donau leicht und gut zu befahren. Aber in den Ebenen, in ihren Anschwemmungsgebieten, wo sie durch weite von ihrem Geschiebe angefüllte, frühere Seebecken so zu sagen auf dem eigenen Leibe läuft, wo sie sich bei Ueberschwemmungen erweitert, wie mehrfach oberhalb Wiens, und besonders zwischen Preßburg und Gönyö bei Raab, wo sie 3 bis 5 Kilom. breit wird und in zahllose Arme verläuft, wo die Schottermassen die Fahrstraße fortwährend verändern, da wird der große Schifffahrtsverkehr verhindert, da laufen die Schiffe nicht selten auf oder bleiben liegen und müssen erleichtert werden, da werden die Frachtkosten vertheuert, da lassen sich die Lieferfristen nicht innehalten und es entstehen daraus Nachtheile, welche gegenwärtig inmitten des rasch sich abwickelnden Geschäftsverkehres mit kurzen Lieferfristen schwer ins Gewicht fallen.

Diese Schifffahrtshindernisse erscheinen um so schwieriger, als sie sich durch die so vorgeschrittene moderne Technik nicht überwinden lassen. Auch nicht die umfangreichsten Correctionsarbeiten sind im Stande, an den schlimmsten, seichtesten und schotterreichsten Stellen eine ausgiebig tiefe Fahrstraße von Dauer herzustellen. Nachgerade hat die Erfahrung zur Genüge gezeigt, daß gegenüber solchen Verhältnissen auch die kostspieligsten sog. Correcturen erfolglos geblieben sind. Vielmehr hat die Schifffahrt über eine zunehmende Verschlimmerung dieser an sich schon ungünstigen Verhältnisse des Wasserlaufes da, wo Arbeiten zur Beseitigung derselben unternommen wurden, insbesondere über wachsende Schwierigkeiten bei der Befahrung des Stromes geklagt. Von Stein bis oberhalb Wien, insbesondere zwischen March und Raab würden die gewaltigen Schottermassen jeden Verkehr gesperrt haben, wenn nicht die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft mit erheblichen Kosten im Interesse ihres Betriebes das Fahrwasser nothdürftig hergestellt hätte. Auf der Strecke Preßburg-Komorn läßt die Gesellschaft mit großen Kosten während des Herbstes beständige Reihenbaggerungen vornehmen und trotzdem müssen auf dieser Strecke in jedem Jahre mehrere Hunderte von Schleppschiffen gelichtet werden. Im März 1883 hatten sich auf dieser Strecke 150 Schlepper angesammelt, die wegen des niedrigen Wasserstandes warten mußten. Infolge Einfrierens und des Eisganges feiert die Schifffahrt (nach Bericht des Abg. Daranyi) durchschnittlich 65 Tage, infolge der oben angeführten Hindernisse durchschnittlich 96 Tage jährlich, so daß nur 204 solche Tage bleiben, an welchen die Donau unbedingt fahrbar ist. Nach den Berichten der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft machte sich der Umstand, daß sich meist zwischen zwei regulirten Stromstrecken Untiefen bildeten, in störender Weise geltend. Die schlechtesten Stellen waren zwischen Regensburg und Passau, oberhalb und unterhalb Wiens, wodurch die Annahme bestätigt wird, daß durch das kostspielige Werk der Wiener Donauregulirung — sie hat gegen 60 Millionen fl. verschlungen — die Stromverhältnisse oberhalb und namentlich unterhalb Wiens merklich verschlechtert worden sind, endlich oberhalb Gönyö, und man begreift die Klagen der Schiffsinteressenten über diese Verkehrshindernisse erst ganz, wenn man erwägt, daß ein derartiges Verkehrshinderniß auf einer Wasserstraße keineswegs so rasch und leicht zu beseitigen ist, wie ein solches etwa in Gestalt eines Felssturzes auf der Eisenbahn.

Die ungünstigen natürlichen Bedingungen des Oberlaufes der Donau werden noch verstärkt durch die überaus verderblichen Wirkungen der im Alpengebiet in den letzten Jahrzehnten ausgeführten fluchwürdigen Waldverwüstungen, welche in dem Anwachsen der Hochwasser und dem Sinken des Niederwasserstandes der Donau sich bereits zu erkennen geben und immer stärker hervortreten werden.

Solche Erfahrungen sind u. A. am Oberrhein gemacht worden. Von Basel bis Speyer (Mannheim) liegen die Verhältnisse ähnlich wie auf der oberen Donau bis Gran (Pest). Dort hatte man im Jahre 1826 mit den Regulirungsarbeiten begonnen und die Schiffbarmachung dieser ganzen Strecke mit solcher Sicherheit erwartet, daß man mit Rücksicht darauf Mitte der dreißiger Jahre die Dampfschifffahrt einrichtete. Allein dieselbe mußte wenige Jahre später nach Eröffnung der linksufrigen Rheinthalbahn wieder aufgegeben werden. Bekanntlich mißlang im Jahre 1873 auch der erneute Versuch, zwischen Straßburg und Mannheim eine Rhein-Dampfschifffahrtsverbindung aufrecht zu erhalten, und man machte die bittere Erfahrung, daß die unternommenen großen Correctionsarbeiten nur eine Verschlechterung der Wasserstraße zur Folge gehabt hatten. Seither liegt der Oberrhein bis Speyer-Mannheim öde und verkehrslos da, obwol die Schweiz und Italien jährlich Hunderttausende von Tonnen Kohlen und Eisen vom Mittel- und Unterrhein beziehen, welche in Mannheim vom Schiff auf die Bahn umgeladen werden müssen. Dort hat man eingesehen, daß Flüsse, welche gröberes Geschiebe führen, da, wo sie in weiteren Becken

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Paul Dehn: Zur Wiederbelebung der deutschen Donau.. Teubner (Wissenschaftliche Beilage zur Leipziger Zeitung), Leipzig 1889, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leipziger_Zeitung_No37_1889_S145.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)