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Ernst Ludwig Leithiger: Das Vogelsberger Rind und seine Zucht

wenn diese auch oft erst nach Generationen bemerkbar wird, im Gefolge. Allerdings übt heute der Landwirt als Züchter, durch Zuchtwahl und dadurch, daß er die Tiere zwingt, unter gewissen Verhältnissen zu leben, den größten und weitgehendsten Einfluß auf die Eigenschaften bezw. die Änderung derselben aus, aber die Einwirkung der Natur wird nie ganz beseitigt werden können. Selbst die hochgezüchteten Kulturrassen ändern ihre Eigenschaften, auch wenn Züchtung, Haltung und Pflege dieselben bleiben und nur die veränderten natürlichen Lebensbedingungen auf sie einwirken.

Die Anpassung der Rassen und Schläge einer Tiergattung an die gegebenen natürlichen Verhältnisse ist eine um so größere, je weniger der Mensch als Tierhalter züchtend eingreift, sie muß also bei den sogenannten Naturrassen die weitgehendste gewesen sein. Diese Anpassung hat aber auch zum Vorteil der Tiere selbst und zum Vorteil des Menschen als Tierhalter stattgefunden. So wurde das Tier widerstandsfähiger gegen ungünstige Witterungseinflüsse, oder konnte besonders günstige klimatische Verhältnisse durch höhere Leistungsfähigkeit ausnutzen; kärgliche Ernährungsverhältnisse machten die Tierrasse schließlich kleiner und bewirkten, daß das Tier bei geringeren Ansprüchen an das Erhaltungsfutter doch noch als Nutztier wertvoll blieb, während reichliche Ernährung die Rasse vergrößerte und so schließlich auch den Ertrag erhöhte. Rassen, welche in Ebenen leben, brauchen eine weniger tiefe und breite Brust, weniger kräftige Muskeln und starke Knochen wie Tiere, welche in bergigen Landstrichen wohnen. Ebenso paßt sich das Tier den wirtschaftlichen Bedürfnissen seines Halters an, bezüglich wird denselben durch die Zuchtwahl angepaßt. So haben sich Rassen und Schläge gebildet, die eine bestimmte Nutzung, sei sie in erster Linie Milchproduktion, Fleischproduktion oder Zug, oder mehrere gleichzeitig besaßen. Immer hat sich das Tier den gegebenen natürlichen Verhältnissen angepaßt und ist den Bedürfnissen des Menschen bei zweckentsprechender Zuchtwahl mehr und mehr entgegengekommen.

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Ernst Ludwig Leithiger: Das Vogelsberger Rind und seine Zucht. Emil Roth, Gießen 1896, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leithiger_-_Vogelsberger_Rind.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)