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Ernst Ludwig Leithiger: Das Vogelsberger Rind und seine Zucht

vorhandene Futtermasse nicht besonders reichlich, so lebten die Tiere doch in freier, gesunder Luft, hatten freie Bewegung und legten so die Grundlage für jene feste Konstitution, die das Vogelsberger Vieh auszeichnet. Eine wahre Leidenszeit für das Vieh des kleinen Landwirtes im Zuchtgebiet war aber sehr häufig der Winter. Selbst wenn derselbe nicht außergewöhnlich lange andauerte, reichte das Futter kaum aus; schon bald nach Weihnachten wurden die Portionen an Heu und Stroh – fast die ausschließlichen Futtermittel – knapper gemacht. Hielt aber der Winter länger an, konnte das Vieh nicht schon Mitte April auf die Weiden geschickt werden, dann war die Durchwinterung des Viehes ein förmliches Durchhungern. Dumpfe, ungesunde Ställe thaten dann das Übrige, daß die Tiere im Frühjahr als wahre Skelette auf die Weide getrieben wurden. Daß unter solchen Verhältnissen das Vogelsberger Rind klein bleibt, ist nicht zu verwundern. Größer wird ein Viehschlag nur durch reichliche Ernährung. Es wird dies in recht augenscheinlicher Weise durch eine Beobachtung Werner's gezeigt [1]. Derselbe kaufte auf einer Ausstellung eine 4 1/2 Jahr alte, hochtragende Kuh des Westerwälder Schlages, welche 770 Pfd. wog. Diese Kuh brachte ein Kalb, welches von vornherein gut ernährt wurde und in demselben Alter wie die Mutter 1040 Pfd. wog, also 270 Pfd. mehr. Also reichlichere Ernährung, unterstützt durch Vermehrung des Futterbaues, Verbesserung der Wiesen und Weiden, Förderung des Kleegrasbaues sind für den Privatmann die nächstliegenden Maßnahmen, die die Verbesserung des Vogelsberger Rindes bezwecken. Alle anderen Maßnahmen, ob sie nun von Gemeinden, den Kreisen, Vereinen oder vom Staate erfolgen, werden das Ziel nicht erreichen lassen, wenn wir unsere kleinen Landwirte nicht dazu bewegen können, nicht mehr Vieh zu halten, als wie wirtschaftlich angezeigt erscheint, das vorhandene Vieh


  1. Die Rinderzucht von Dr. H. Werner, S. 397.
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Ernst Ludwig Leithiger: Das Vogelsberger Rind und seine Zucht. Emil Roth, Gießen 1896, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leithiger_-_Vogelsberger_Rind.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)