Seite:Leo Kriegserinnerungen 03.jpg

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Oberhof in Thüringen 8. 8. 1905.


Als ich gestern Abend, eben angekommen, im Hotelgarten bei sinkender Sonne Thee trank und zusah, wie der Mond sich über den Bergen vergoldete, da hörte ich einen älteren Herrn an einem benachbarten Tisch seiner Familie vom Jahre 1870 erzählen: als der Kriegslärm entstand, seien die Papiere sehr gefallen, dann seien sie, als der Prinz von Hohenzollern auf das spanische Königreich verzichtete, auf einmal sehr gestiegen; das habe aber nichts geholfen, denn dann sei der Krieg doch gekommen. Da dachte ich, dass ich meinen Kindern ebenso gut meine Erinnerungen an den Krieg erzählen könnte. Um so näher lag mir das, als ich noch am Tage vor meiner Abreise darum gemahnt worden war; und Zeit habe ich hier, wenn auch weder eine Kriegsgeschichte noch eine Karte von Frankreich noch auch meine eignen Feldbriefe, die, so wenig und kurz sie sind, doch hier und da ein Erinnerungsfädchen hervorzupfen oder zwei anein­ander binden könnten. Ohnedies wird jeder Historiker Erinnerungen, die 35 Jahre alt geworden sind, mit Misstrauen ansehn. Aber diese Eindrücke drangen freilich tief, und es ist mir noch heute oft so, wie wenn die damals erlebten Dinge im Gedächtnis

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_03.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)