Seite:Leo Kriegserinnerungen 72.jpg

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Bücher hatte er nicht und gelesen hatte er auch nicht viele. Einmal sagte er mir, er hätte einen Freiwilligen im Quartier gehabt, der hätte ausser allemand (was mit prussien dasselbe wäre) noch vier Sprachen gesprochen: hanovrien, bavarois, français und autrichien. Ich antwortete, die spräche ich auch.

Uebrigens hatte allmählich jeder deutsche Soldat französisch gelernt; er wusste folgende Worte: du pain, du vin, café, cognac, camarade, tout de suite, monsieur und madame. Das war genug um alles deutlich zu machen, wenn er eine Scala der Tonstärken zu Hülfe nahm und gelegentlich mit dem Gewehr auf den Tisch schlug. Wir teilten uns in tout de suite- und s’il vous plait-Soldaten; gegen diesen Unterschied waren alle Franzosen, auch die Bauerfrauen, in hohem Grade empfindlich. Dass wir beim Eintritt in ein Quartier mit s’il vous plait mehr erreicht hätten als mit tout de suite, kann ich nicht sagen. Vielmehr bekam man niemals eine andere Antwort als: nous n’en avons pas, auch wenn das Geforderte schon bereit stand; und der Dreijährige, der das nisk de pain, nisk de cognac, nisk du tout du tout einfach als Bejahung nahm, suchte und fand, war besser daran als der höfliche Einjährige. Aber, während man die Männer mit ihren schrecklich vielen Worten meist nicht ernst nahm, konnte man sich vor dem sicheren und würdigen Wesen der meisten Frauen nicht anders als mit Achtung und Höflichkeit benehmen.

Man kann überhaupt nicht sagen, dass der Soldat

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_72.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)