Seite:Leo Kriegserinnerungen 79.jpg

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zum Liegen. Wir waren sehr vergnügt, unterhielten uns und sangen, und mein Fuss heilte bei diesem ruhigen Leben von selbst ohne weitere Hülfe.

Unser Weg ging über das eroberte Paris, über den östlichen Teil der Gürtelbahn, der durch das Arbeiterviertel Belleville führt. Es waren nicht die schönen Teile von Paris, die wir sahen, aber in der Ferne winkten doch die Türme von Notre Dame. Die Leute in den Strassen, die unser Zug kreuzte, blieben stehen, ballten die Fäuste und riefen uns Schimpfworte nach; ein Herr im Cylinder kam von einer Strassenecke herangelaufen, als er den Zug sah, raffte mit der behandschuhten Hand Steine auf und warf sie nach uns, was ihm dann die gamins mit Halloh nachmachten. Auf dem Bahnhof der Vor­stadt Aubervillers mussten wir halten. Ein Zug war verunglückt, eine Anzahl schwerverwundeter Soldaten lag auf Bahren und Matratzen, während sie verbunden wurden. Der Verkehr war gestört und wir blieben wohl einen halben Tag lang liegen. Dann ging es durch Frankreich mit der uns be­kannten Langsamkeit weiter. In Nancy blieben wir die Nacht im Militärlazaret. Die nächste Nacht blieben wir in Bewegung. Als wir am Morgen aufwachten, sahen wir am Horizont Türme im Nebel; wir fragten den Schaffner, welche Stadt das wäre, er sagte: ‚Worms‘. Der Name klang unbeschreiblich süss. Von nun an waren die Bahnhofe voll Menschen, die jedem aus Frankreich kommenden Zuge zujubelten; Damen brachten je nach der Tageszeit Kaffee oder Bier mit Butterbroden heran; in Giessen wurden

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_79.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)