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„Kennen Sie Grasse?“ fragte ich Herrn Wendriner.

„Grasse?“ sagte er und stocherte sich in den Zähnen. „Warten Sie mal – Grasse …? Ja, da warn wir mal, von Cannes aus. Na, ich danke! Ein kleines Nest, ganz nett, gewiß, aber kein anständiges Kasino, gar nichts Elegantes. Wir sind bloß durchgefahren und haben eine Kleinigkeit gegessen, Bouillon baisse, oder wie das heißt. Richtig! Meine Frau hat sich noch mächtig den Magen an den Langusten verdorben. Wissen Se: Grasse ist nischt –!“



Ein schwedischer Sachse

Einmal habe ich in Schweden, in einer südlichen Provinz, ein Ding kennengelernt, das war mir neu.

Es war ein kleiner Mann mit viereckig geschnittenen Borsthaaren, einer Brille und kurzen Hosen, der mir da im Hotel entgegentrat und sehr freundlich sagte: „Ich habe gehört, daß Sie Deutscher sind; ich spreche deutsch.“ Ich horchte auf – nein, er sprach nicht deutsch. Dieser Schwede sprach sächsisch. Es war ganz seltsam.

Er sprach nicht nur sächsisch: er sang es, er schleifte die Worte, wie uns Hans Reimann das vergeblich gelehrt hat; er zog und lutschte an der Sprache und hatte auch alle diese kleinen Verlegenheitswörter, die das Sächsische so unendlich kommun machen. Er sagte: „Es blääst che nu hier e galdr Wind“, wobei er das W von „Wind“ aussprach wie die Engländer; er tauchte bis auf den tiefsten Flußgrund dieses breiigen Dialektes herunter, und mittendrin konnte es geschehen, daß er plötzlich versagte, dann fehlte ihm ein Wort. Das war nicht gespielt, der Mann war durch und durch echt.

Er war so echt, wie Menschen sonst gar nicht sind – denn

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_032.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2020)