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die von früher Jugend auf als fertige Fremdsuggestionen von der Umwelt wie die Atemluft beständig aufgenommen und zuletzt so verfestigt werden, daß es auch im erwachsenen Alter nur den wenigsten Menschen und diesen nur unvollständig gelingt, sich von den ethischen Anschauungen ihrer Umwelt zu emanzipieren, wenn diese konsequent im selben Sinne gewirkt haben.“ Und: „Leute aus Berufen mit ausgeprägten starren Standesansichten, wie manche Beamten- und Offizierskasten, sodann Leute, die in einer gewissen geistigen Enge aufgewachsen und wenig in verschiedenen Lebenskreisen umhergewürfelt worden sind und denen es daher nicht möglich ist, sich die nötige Freiheit und Elastizität ihrer ethischen Anschauungen zu erwerben …“

Wir haben so viel von der Psychologie der Verbrecher gehört. Uns fehlt ganz etwas andres. Gebt uns die Seelenkunde der Beamten.



Die Herren Belohner

Der Staatsanwalt Rombrecht hat in einem Mordprozeß (Ulbrich) gesagt:

„Die Angeklagte Neumann hat trotz ihres körperlichen Zustandes (sie ist in andern Umständen) sich tapfer während der ganzen Verhandlung gehalten. Das muß mildernd belohnt werden.“

Ist denn kein Justizminister da, der diese Staatsanwälte und Richter auf das erste und oberste Gesetz jeder Verhandlungsführung aufmerksam macht: es gibt keinen Paragraphen im Strafrecht, der gutes Verhalten vor Gericht vorschreibt! Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn der Tatbestand für eine Bestrafung gesetzlich bestimmt

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)