Seite:Lerne lachen ohne zu weinen 129.jpg

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Eh du die letzte Zuckung tust, junger Mann:

Man hat ja noch niemals versucht, den Krieg ernsthaft zu bekämpfen. Man hat ja noch niemals alle Schulen und alle Kirchen, alle Kinos und alle Zeitungen für die Propaganda des Krieges gesperrt. Man weiß also gar nicht, wie eine Generation aussähe, die in der Luft eines gesunden und kampfesfreudigen, aber kriegablehnenden Pazifismus aufgewachsen ist. Das weiß man nicht. Man kennt nur staatlich verhetzte Jugend. Du bist ihre Frucht; du bist einer von ihnen – so, wie dein fliegender Mörder einer von ihnen gewesen ist.

Darf ich deinen Kopf weicher betten? Oh, du bist schon tot. Ruhe in Frieden. Es ist der einzige, den sie dir gelassen haben.



Der Sadist der Landwehr
Erschienen 1914 im „Vorwärts“;
drei Wochen vor Kriegsbeginn

Wenn die alten Herren kriegswütig werden, das ist von je eine possierliche Sache gewesen. Der Bart sträubt sich, die Äuglein blitzen, und da soll doch auf den Erbfeind gleich ein Hämorrhoidonnerwetter herunterfahren! „Weil wir nicht kriegsbereit sind!“

So heißt eine kleine Broschüre, die ein Medizinalrat und Stabsarzt der Landwehr außer Diensten geschrieben hat. Ich denke, daß Name und Verlag nichts zur Sache tun, denn ich möchte nicht, daß jemand für das Heftchen Geld ausgibt. Wenn der kleine Aufsatz wirklich, wie der Verfasser es nennt, ein Beitrag „zur Psychologie des Imperialismus“ ist, dann kann einem diese Geistesrichtung allerdings leid tun.

Dieser Stabsarzt hat wohl nie in seinem Leben den mordenden


Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)