Seite:Lerne lachen ohne zu weinen 133.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

lesen muß, oder wovon sonst: manchmal fühle ich, wie sich der Kaiser umzieht, den Raum sehe ich nicht, ihn sehe ich auch nicht … aber ich höre ihn. „Schulz!“ ruft er. Kurz. Wie ein Schuß.

Der Kammerdiener ist nebenan – gleich wird er antworten und hereingeknallt kommen, eine Bewegung zwischen … „Mit einer Verbeugung, die ein Mittelding zwischen Kratzfuß und Todesangst war“, hat Eulenburg einmal einen Hofrat beschrieben, der Bismarck die Post vorlegte. So ähnlich wird der Kammerdiener hereinkommen, die Angst nur gemildert durch langjährige Gewohnheit, eine Art Tierbändiger-Gemütlichkeit. Aber was er sagt, das höre ich nicht mehr.

Merkwürdigerweise rieche ich die Szene. Jede Zeit hat ja ihren bestimmten Geruch, so, wie jedes Land – schade, daß man nicht ein Pröbchen Kriegsluft hat aufbewahren können. Der Kaiser war ein körperlich sauberer Mann, aber man mag ihn nicht riechen. Um ihn ist übrigens jene Atmosphäre von Herrengeruch der neunziger Jahre … etwas Strenges, Leder, Zigarettenrauch, ein Parfum und die Körper der Herren … ja. So riecht die Stimme, ich höre sie mit der Nase. „Schuttz!“

*

50 000 Mark im Monat. Von deinen Steuern.



Erinnerung
Am Untergrundbahnschalter. Zwei dicke Männer lösen sich nach einander Karten.

Der Eine: Eine Dritter Alexanderplatz!

Der Andere: Mir auch eine Dritter Alexanderplatz …!

Der Eine (dreht sich im Weggehn noch einmal um): Nanu?


Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)