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tief hinunterreichen, wie das alles nur in einer schmalen Schicht gilt … etwa so breit, wie die, die wir ohne Apparate beherrschen: ein Meter achtzig über der Erde, drei Meter drunter. Das ist das Reich der zehn Gebote.

So. Jetzt habe ich das Hemd fortgelegt, nur noch die Kanten einschlagen … ich gehe jetzt. Warum soll ich nicht nach vorn gehn? Vorn hat man keine Angst – Angst hat man nur im Rücken.

Du kannst auch gehn. Er ist weg. Wie weggeputzt, so, wie die Kinovisionen …

Außerdem habe ich nicht die Spur Angst, nicht die leiseste Spur … siehst du, ich drücke mit der Kocher-Hand die Klinke herunter … ist da was im Dunkel? … Nein, da ist nichts. Licht! Deinen Fliegengott gibt es gar nicht. Morgen schlage ich sie alle tot, alle. Nicht eine soll mir an den Fenstern summen. Schmeißfliegen.

Der Herr sind etwas schnell über den Flur gegangen, wie … ? Hast du die Tür abgeriegelt?

Der Riegel ist entzwei. Ich habe keine Angst. Hier hinein kommt er nicht.

Warum nicht?

Weil es ihn nicht gibt. Weil es ihn nicht gibt. Gibt keinen Fliegengott. Jetzt laß mich lesen.

*

(Das Gefühl, im Dunkel.) In mir wachsen und wimmeln Millionen Mikroben. Jeder Herzschlag klopft dem Grabe zu. Weiter und weiter – unaufhaltsam. In mir wächst der Tod.

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_271.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)