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aus sprechen, oder von zu Hause, wo Mama jeden Augenblick hereinkommen kann. Das ist ganz herrlich.

Man riecht es am Ton, was da los ist. Der Ton ist butterweich, hellgelb, milde wie Mathilde und leicht verklemmt.

Guten Tag! (Ohne Anrede.) – Guten Tag, wie gehts denn? (Ohne Sie und ohne Du.) Na, gut nach Hause gekommen …? Ja …? Gut geschlafen? Ja, danke ich auch. (Große lyrische Pause.) Müde? So? Wieso denn? Versteh ich gar nicht … Man ist ja manchmal müde – So? Ja. Ja, heute ist schönes Wetter. Heute abend bleib ich zu Hause – ich hab noch was zu schreiben. Wiedersehn? Ist Wiedersehen denn so schön? Ja, immer? Ich glaube, ich muß aufhören, hier wird der Apparat gebraucht. Ja, also dann wie sonst – auf Wiedersehen! Ich rufe morgen noch mal an …“ Solche Gespräche sollten mit behördlicher Harfenbegleitung geführt werden. Wenn du Glück hast, kannst du sie hören, und es schmilzt dein Herz.

Dann aber braust wieder die Arbeit der Großstadt durch die Drähte: die Glocken schrillen, die Hörer wackeln in der Luft, der schwarze Gummi wird weich, Lippen bewegen sich, mit der freibleibenden Hand werden Papiere durcheinander geworfen, einer stampft mit dem Fuß auf, obgleich das gar nicht mittelefoniert wird … Und vor eins rufen sie alle, alle noch einmal an.

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_289.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)