Seite:Lerne lachen ohne zu weinen 332.jpg

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Der Professor schreibt.

Der Zeisig wartet sich eins.

Der Professor blickt auf. Nun … was führt Sie hierher?

Auf diese Frage war der Zeisig nicht vorbereitet. Er hatte gedacht, die Konsultation würde mit einem kleinen Schwätzchen beginnen. Wo nun anfangen! Ich … iche … mein Name ist Zeisig.

Der Professor drückt durch seine Stummheit aus: Wir haben schon ganz andre Krankheiten geheilt!

Der Zeisig. Herr Professor … Ich habe … ich bin … das heißt also: es sind mehr so allgemeine Beschwerden. Meine Arbeitskraft ist herabgesetzt; es ist so eine allgemeine Müdigkeit, vielleicht auch die Leber … manchmal habe ich Herzstiche, und dann tun mir die Füße weh. Es muß also wohl die Blase sein. Wir hatten in meiner Familie einen Fall, wo meine Tante Elfriede an chronischer Schwangerschaft …

Der Professor: Was sind Sie?

Der Zeisig: Vasomotoriker.

Der Professor sanft wie ein Irrenarzt, bevor er „Dauerbad!“ sagt: Von Beruf!

Der Zeisig: Nähmaschinen-Grossist.

Der Professor: Nun mal weiter.

Der Zeisig: Also es ist sicherlich die Blase. Wenn ich lache, dann tut es mir weh, und wenn ich morgens aufwache, muß ich immer an Zuckerhüte denken. Es ist wie eine Zwangsvorstellung – immer Zuckerhüte. Auch mit der Verdauung ist das nicht mehr so wie früher … es macht mir nicht mehr solchen Spaß. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Ich komme auf Empfehlung meines Hausarztes, des Herrn Doktor Bullett.

Der Professor, ein General, hat den Namen dieses Landsknechts der Wissenschaft nicht gehört, er will ihn nicht gehört haben.

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_332.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)