Seite:Letzte Stunden, Tod und Begräbniß des hochwürdigen Herrn Pfarrers Wilhelm Löhe.pdf/16

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obwohl dies auch mit Wahrheit gesagt werden könnte, sondern was ich meine, ist das: In diesem Text hat Gott der Herr unserem Hirten seine Mission und seine kirchliche Stellung und den Erfolg seiner Lebensarbeit geweissagt.

 Stand er nicht in seiner Zeit, wie Jesaia in der seinen? Nicht verstanden von der großen Masse, auf welche und für welche seine Wirksamkeit nicht berechnet war, ein Fremdling in der Gegenwart, ein Bürger der Zukunft, ihr angehörig mit ganzem Verlangen und hingezogen zu ihr mit mächtigen Seilen der Sehnsucht, hingetragen zu ihr, wie auf Flügeln der Hoffnung. War er nicht so, und ist das nicht in der That seine Gleiche mit dem großen Propheten des alten Bandes? Eine Wirkung auf die Massen wie dem Elias war ihm nicht gegeben, obwohl er ja in der großen Erweckungszeit im 3. und 4. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auch Tausende, wirklich Tausende wie Elia auf Karmels Spitze um sich versammelte und den Baalsdienst jener Zeit mit mächtigen Streichen stürzen half; aber diese Zeit gieng bald vorüber und einsam und einsamer wurde sein Lebensweg und im Vergleich zu dem großen Gedränge, das im Anfang ihn umgab, ist die Schaar, die sich bleibend um ihn sammelte, immerhin eine geringe. Das kam daher, weil er der Zeit mit seinen Gedanken und mit seiner Sehnsucht voraneilte. Zwar hielt er ans unter den Übelständen der Gegenwart, aber unbefriedigt von dem, was sie bot, – ein Wegweiser, ein Wegbereiter, ein Bahnbrecher der Zukunft. Meine Zeit, sagte er oft scherzend in den Jahren seiner Kraft, kommt erst nach dreißig Jahren.

 Aber wenn ihm nun auch nicht eine Wirksamkeit auf die großen Massen vergönnt war, war nicht doch auch zu ihm gesagt, was zu Jesaia gesprochen wurde: Jes. 8, 16: Binde zu das Zeugniß, versiegele das Gesetz meinen Jüngern? Ist es ihm nicht gegeben worden zwar nicht eine Schule, aber was mehr ist denn eine Schule, einen Jüngerkreis um sich zu sammeln, einen Kreis, von dem er wünschte, daß er Same der Kirche der Zukunft werden möchte? Nicht in Überhebung, nicht in Hochmut, der uns allen miteinander an keinem Tage ferner ist, als an dem heutigen Tage, sei das gesagt. Es ist dies ja auch nur eine Ausgabe, ein hoch gestecktes Ziel für die Seinen.

 Es war – äußerlich angesehen – sein Erfolg, wenn man so sagen will, ein geringer wie der des Propheten Jesajas, wie er denn selbst oft und vielfach von dem Mißlingen seines Lebens zu reden pflegte, aber mit richtigem Auge angesehen war es ein großer Erfolg, ja der einzig mögliche Erfolg in einer Zeit, die so, sehr wie die seine, der des Propheten Jesaia ähnelte. Eine Zeit des Abfalls, eine Zeit der Auflösung der theokratischen Verhältnisse, eine Zeit der Verweltlichung des staatlichen Regiments im Volke Israel, wobei man die Hoffnung auf die Rettung des Ganzen aufgeben mußte – das war Jesaias Zeit, und wer sieht nicht, daß dies auch die Charakteristik unserer