Seite:Letzte Stunden, Tod und Begräbniß des hochwürdigen Herrn Pfarrers Wilhelm Löhe.pdf/19

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aneignen und in die Seele legen und so viel Gott uns armen Sündern Wachstum und Gedeihen geben will, sie fröhlich keimen und sprossen lassen. Wenn wir diese Gedanken zu Herzen nehmen, dann ist Löhe für uns nicht gestorben, dann grünen seine Gebeine, wie die der zwölf Propheten grünen in den Gräbern, da sie liegen; dann ist mir auch nicht bang für die Zukunft. Wir dürfen nur das Menschliche abstreifen von seinen Gedanken und das Göttliche, das Bleibende, das Unvergängliche uns aneignen, als heiliges Vermächtniß pflegen, seine Samenkörner in uns legen und sie zum Leben erwecken. Damit wir aber das können, haben wir Nöthigeres nichts zu thun, als uns innigst zusammnenzuschließen, den Bund untereinander und den Bund mit Gott dem HErrn zu erneuern. Je ärmer, je verwaister und je verlassener wir geworden sind, desto mehr thut uns die innigste Verbindung noth. Ich will unsere kleine Sache mit einer großen vergleichen. Denkt ihr nicht an die Jünger, wie sie in den Tagen waren, als der HErr auf Erden wandelte, wie es da gar nicht an kleinlichem Gezänke, an Reibungen und Eifersucht unter ihnen fehlte. Als aber unser HErr von ihnen genommen war, wie ganz anders finden wir sie da. Wie einmüthig sind sie da bei einander im coenaculum, in dem durch sakramentliche Erinnerungen geweihten Ort! So muß es auch bei uns werden. Es muß uns Gott der HErr den Geist der Liebe, des Friedens, der Eintracht, des Wohlwollens, der Aufrichtigkeit geben. Wir müssen diesen Geist uns stärken lassen im coenaculum, das Gott uns bereitet hat. Aus dem Sakrament der Liebe und Gemeinschaft muß uns Stärkung dieses Geistes zufließen. Dann ist mir nicht bang für das, was mit uns und den nun unser gewordenen Werken unseres seligen Meisters werden wird; dann dürfen wir sagen: Ich werde nicht sterben, sondern leben und des HErrn Werk verkündigen. Dann mag man Dettelsau nennen, wie jene Mutter ihren Sohn nannte: „Ikabod“ d. h. die Herrlichkeit ist weg; denn die Herrlichkeit die da war, ist weg auf Nimmerwiederkehr; aber es werden dennoch von diesem Orte die Wasser Siloah nach wie vor ausgehen, die stille fließenden, und geräuschlos Segen spenden, und es werden unsere Freunde und Feinde es merken, daß der HErr nicht von uns gewichen ist, sondern bei uns wohl auf dem Plane ist mit seinem Geist und Gaben.

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 Damit sei es genug. Obwohl ich mir noch lange nicht genug gethan habe und noch viel zu sagen hätte, so sei es doch genug. Ich habe mich gefreut, daß ich meinem entschlafenen Hirten und Meister diese Worte des Gedächtnisses habe nachrufen dürfen. Ich preise es als das Glück und die Herrlichkeit meines Lebens, daß durch Gottes Fügung mein armer Lebensweg mit dem seinigen sich kreuzen durfte, daß ich zwölf Jahre lang neben ihm hergehen und sieben Jahre lang ihm dienen durfte. Mir reicht die Vergangenheit einen duftenden Blumenstrauß der Erinnerung und an ihm mich erlabend gehe ich froh, in Hoffnung froh und getrost