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Nationalisten zurückgeführt. Im Jahre 1846 gründeten die Ukrainer in Kijiw, mit dem ukrainischen gelehrten Historiker Kostomarow, dem Publizisten Kulisch und dem Dichter Schewtschenko an der Spitze, die „Bruderschaft des Ciryll und Method“, die sich die Losreißung der Ukraine in der Form einer zu gründenden slawischen Föderation zum Ziele setzte. Der Verein wurde behördlich aufgelöst und die Führer mit Verbannung bestraft.

Nicht imstande, bei den in Rußland herrschenden Verhältnissen immer offen und in legaler Form aufzutreten, hat sich die ukrainische Intelligenz aus nationalen Beweggründen allen Befreiungsbewegungen in Rußland angeschlossen, und der Historiker der russischen Revolution, Thun, konstatiert in seiner Geschichte der russischen revolutionären Bewegung, daß jede Erhebung gegen das moskowitische Zarentum in Rußland eben aus dem ukrainischen Süden hervorging. Notstandsunruhen der ukrainischen Bauernschaft vom Jahre 1905 sowie die Meuterei der Schwarzen-Meer-Flotte in den Jahren 1905, 1912 und 1914 waren ebenfalls ein Werk ukrainischer Nationalisten und Revolutionäre, die auf diese Weise die moskowitische Herrschaft über die Ukraine zu unterwühlen trachteten.

Nach der Einführung der scheinkonstitutionellen Verfassung von Rußland entsendete die ukrainische Bevölkerung in die erste russische Duma nicht weniger als 40 Abgeordnete, die einen selbständigen „Ukrainischen Klub“ bildeten, und erst die „verbesserte Wahlreform“ hat die ukrainische Vertretung aus der sogenannten dritten Duma auf einige Zeit zu verdrängen vermocht. In Österreich haben die Ukrainer eine, der Zahl nach verbürgte, parlamentarische Vertretung von 32 Abgeordneten, die sich in den letzten Jahren im politischen Leben immer ansehnlichere Bedeutung zu verschaffen wußte, und die als legitimierte Vertreterin des ukrainischen Gedankens und der

Empfohlene Zitierweise:
Eugen Lewicky: Die Ukraine der Lebensnerv Rußlands (= Ernst Jäckh (Hg.): Der Deutsche Krieg, 33). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. Berlin 1915, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lewicky_Die_Ukraine_1915.pdf/28&oldid=- (Version vom 24.2.2022)