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Georg Christoph Lichtenberg: I. Allerlei Gedanken: Die Natur. In: Ausgewählte Schriften, S. 3–11

Sekunden wissen können, wenn dort oben ein monte nuovo entstanden ist, oder ein Lissabon ober Messina sein Ende erreicht? – Aber ach! wenn es doch auch Telegraphen für die übrigen fünf Sinne gäbe! Allein da sieht es erbärmlich aus …

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Herr Elliot, ein gelehrter englischer Apotheker, hat Versuche mit seinen Augen angestellt, die um so merkwürdiger sind, als nicht leicht jemand neugierig genug sein wird, sie ihm nachzumachen. Er drückte nämlich seine verschlossenen Augen so lange, bis alle die bekannten leichten Erscheinungen verschwanden und kein Druck mehr im stande war, irgend eine Erscheinung wie Licht hervorzubringen. Wie er die Augen aufthat, hatte er die Satisfaktion zu sehen, daß er gänzlich blind war, ja die Sonne selbst konnte er nicht mehr sehen. Nach und nach kam jedoch die Empfindung wieder. Aehnliche Versuche hat er mit seinen Ohren angestellt, in die er Instrumente steckte und dadurch allerlei Töne hervorbrachte. Er hat dadurch Hoffnung zu einer ganz neuen Musik gegeben, die in einer großen Gesellschaft jeder nach seiner Art genießen kann, ohne das Konzert der andern damit zu stören.

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Wenn ich bisweilen viel Kaffee getrunken hatte und daher über alles erschrak, so konnte ich ganz genau merken, daß ich eher erschrak, ehe ich den Krach hörte. Wir hören also gleichsam noch mit andern Werkzeugen, als mit den Ohren.

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Die Leute, von denen man sagt, sie reden durch die Nase, reden nicht durch die Nase; und wenn sie durch die Nase redeten, so würde man sagen, sie redeten nicht dadurch.

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Ich träumte neulich an einem Morgen, ich läge wachend im Bette und könnte keinen Atem bekommen; darauf erwachte ich ganz munter und spürte, daß ich, nach meiner damaligen Lage, nur sehr mäßigen Mangel daran hatte. Einem bloß fühlenden Körper kommen böse Empfindungen allezeit größer vor, als einem, der mit einer denkenden Seele verknüpft ist, wo selbst oft der Gedanke, daß die Empfindungen nichts zu bedeuten haben, oder daß man sich, wenn man nur wollte, davon befreien könnte, vieles von dem

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Georg Christoph Lichtenberg: I. Allerlei Gedanken: Die Natur. In: Ausgewählte Schriften, S. 3–11. Cotta, Stuttgart 1893, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lichtenberg_Die_Natur.pdf/3&oldid=- (Version vom 29.8.2023)