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der Völker und Staaten zu vervollkommnen, würde dadurch zu einer europäischen Roulet-Bank herabgewürdigt, an welcher die Völker um ihr Vermögen und ihre Wohlfahrt spielen.

Die nächste nachtheilige Wirkung eines solchen Zustandes auf die Production wäre die, daß nun in allen Staaten unermeßliche Capitale dem bloßen Actienspiel gewidmet würden, statt daß dieselben, wenn nicht auf so unproductive oder vielmehr positiv schädliche Weise beschäftigt, sondern in Gewerbs- oder landwirthschaftlichen Unternehmungen angelegt, die Bestimmung haben sollten, die Nützlichkeit und Einträglichkeit der Eisenbahnen zu vermehren.

Bis jetzt, es kann nicht geleugnet werden, haben die Eisenbahn-Actien-Speculationen sehr viel dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit des Publicums auf diese Unternehmungen zu lenken, das Interesse aller Classen an dem Baue derselben zu erregen und zu steigern, und die Regierungen und Gesetzgebungen zu bewegen, sich mit diesem Gegenstande ernstlich zu beschäftigen. Uns will aber bedünken, das Maaß des Guten, das sie wirken konnten, sei bereits erfüllt (1837), und fernerhin nur noch Übel und großartiges Übel davon zu erwarten.

Neuere Erfahrungen haben uns belehrt, daß man sich täusche, wenn man den Privat-Compagnien größeren Scharfsinn in Auffindung der zweckmäßigsten Tracte und Bauart, größere Thätigkeit in Beschleunigung des Baues und größere Fähigkeit zu ökonomischer Herstellung und Verwaltung der Bahnen – wenn man überhaupt dem Privat-Interesse in dieser Art von Unternehmungen mehr zutraue, als dem Staat.

Das Privat-Interesse wirkt kräftig in jeder Art von Unternehmungen, dies ist längst durch die Erfahrung erprobt, aber in den Eisenbahn-Unternehmungen auf Actien scheint dasselbe seine Wirksamkeit mehr in falschen Richtungen als in Beziehung auf den Hauptzweck zu bewähren. Die Erfahrung wenigstens beweist, daß auf Börsenplätzen die Aufmerksamkeit der Actionaire mehr auf das Steigen und Fallen der Curse als auf den Stand und das Vorrücken der Arbeiten und auf das Gelingen des Unternehmens gerichtet ist. Man fragt nicht, wie das Werk voranschreite, oder was man sich davon zu versprechen habe, sondern wie die Actien stehen. Auch geht auf manchen Plätzen die öffentliche Meinung dahin, die Versuchung für die an der Spitze der Unternehmung Stehenden, wenn sie selbst in Actien speculiren, sei zu groß, als daß sie die sich ihnen darbietende Gelegenheit nicht benutzen sollten, an ihrem Theil auf die Förderung oder Verzögerung des Werkes und überhaupt auf die zu nehmenden Maßregeln einzuwirken, je nachdem sie à la baisse oder à la hausse zu spielen für vortheilhaft hielten, und daß doch Manche wenigstens von ihrer genauern und früheren Kenntniß des Standes der Compagnie-Angelegenheiten und von den auf die Cursveränderungen wesentlichen Einfluß habenden Beschlüssen und unerwarteten Ergebnissen an der Börse zu ihrem Vortheil und zum Nachtheil des Publicums Gebrauch zu machen hie und da in Versuchung


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Friedrich List: Das deutsche National-Transport-System, Altona und Leipzig 1838, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ListNat042.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)