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Seite:Literarisches Conversations-Blatt 1824 Kunstausstellung Dresden 2.djvu/2

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Künstler in Bild und Farbe aussprechen; und er that es. Das bleiche Mondlicht von Außen, die erlöschende Lampe von Innen, Alles erhöht den Eindruck, und, künstlerisch betrachtet, ist wol dies Skelett selbst bewundernswerth.

Der Vater. Werden denn aber diese beiden Bilder jemals bezahlt werden? das ist doch die Hauptsache! wer soll so etwas kaufen!

Die Tante. Seht doch dafür lieber das charmante Bild hier daneben, der kleine Bacchus, der dem lieblichen Amor Wein in die Schale gießt; dies gefällt mir im ganzen Saale am besten.

Edwin. So große Auszeichnung verdient es kaum. Man erkennt gleich am Colorit, daß es vom Prof. Pochmann ist. Sehen Sie nicht, Tantchen, daß das rechte Beinchen des Bacchus gar nicht zurückweichen will, und die Trauben sind doch auch recht trüb und undurchsichtig.

Fedor. Sei nicht zu hart, Bruder! Das Bildchen ist ganz Anakreontisch; es verlangt nicht sich für mehr zu geben als es ist; dies ist heutzutage schon ein seltnes Verdienst, und der Ausdruck lieblicher Schalkhaftigkeit in dem Köpfchen ist doch wahrlich sehr hübsch, wenn auch eine bestimmte Manier durchleuchtet.

Rosa. O Fedor, sieh’ hier Göthe’s Fischer! „Halb zog sie ihn, halb sank er hin!“ Wie reizend ist diese Darstellung, wie heimlich und traut das Plätzchen an stiller Bucht, so schattig kühl, wo oben das heiße Sonnenlicht durch die Blätter spielt; mit trunknen Blicken hängt der liebeglühende Jüngling an der holden Nixe, die so sehnsüchtig mit den sapphirklaren Augen nach ihm schaut, und die doch aussieht, als könne sie trügerisch leicht wieder in Tropfen und Thränen zerrinnen! Sie faßt seine Hand; schon netzt die lockende Welle seinen Fuß, ach, es ist bald um ihn geschehen!

Fedor. Ja, Du hast Recht, meine Rosa, es ist ein zartempfundnes reizendes Bild; so treu dem Sinne des Dichters weiß nur unser Retzsch zu componiren; welch’ ein herrliches Seitenstück macht dies zu seinem unvergeßlichen Erlkönig! So treu wie befreundete Klänge dem Wort, so schmiegt es sich dem unsterblichen Liede an. – Uebersieh aber auch nicht das Bildchen daneben von demselben Meister; dies ist hellenischer Scherz! Der trunkne Faun, auf dem Weinschlauch sitzend und zugleich daraus schlürfend, erinnert an eine echt antike Lampe, wo ich dieselbe Darstellung sah; das lose Mädchen, die mit einem Speer von hinten den Schlauch durchsticht und den Trinker so auf’s Trockne bringt, ist überaus reizend gedacht.

Edwin. Dieser Künstler geht doch ganz einen eignen Weg, er folgt weder dem altitalienischen noch alldeutschen Styl, und zu den sogenannten Akademikern gehört er auch nicht.

Fedor. Um so besser; wohl Jedem, in dem sich der Beruf für ein bestimmtes Fach der Kunst so klar und genial ausspricht. In den romantischen Sinn der Dichter einzudringen und Scenen aus ihren Werken in kleinen Gemälden sowol als geistvollen Umrissen treffend darzustellen, dies versteht Niemand besser als unser Prof. Retzsch; wie sinnig und schön sind hier auch die 16 Blätter Umrisse zu Schiller’s Ballade: Der Kampf mit dem Drachen, welche die Fortsetzung seiner Schiller-Galerie bilden. Wie ist hier Manches, was das Wort kaum anzudeuten vermochte, durch das Bild ergänzt und ausgemalt! wie reizend, lebendig und seelenvoll sind alle diese Gestaltungen. Das Ausland, besonders England, erkennt den phantasievollen Künstler an, und würde ihn ganz zu würdigen wissen, wenn es ihn besäße.

Edwin. Es mag sein; willst Du sehen, was mich weit mehr anzieht, so betrachte dies köstliche kleine Altargemälde des Prof. Vogel, wie der heil. Nepomuk im Vorgefühl seines nahen Märtyrertodes in der Kirche zu Alt-Bunzlau betet. Sieh diese Innigkeit und Wahrheit, diesen grenzenlosen Fleiß in der Behandlung aller Nebendinge sogar!

Die Mutter. Wie fein und herrlich sind die Spitzen am Meßgewand!

Rosa. Und die bunten Glasfenster in den fernen Kreuzgängen!

Fedor. Alles wahr; Alles was auf diesem trefflichen Gemälde die Erde darstellt, ist wahrhaft himmlisch, nur der sichtbar werdende Himmel stört mich darin; warum diese Erscheinungen des Heilandes, nebst Maria und Johannes, und die Englein mit den Palmen so nah heranrücken und so im Geist der byzantinischen Schule darstellen? Wir sehen im fromm verklärten Blick des Heiligen, daß der Himmel ihm offen ist, wozu sollen auch wir ihn schauen, auf eine Art, die mir für die Wirklichkeit nicht erhaben und für die Erscheinung nicht duftig genug ist. Mir wäre in diesem frommen, stillen, hochvollendeten Bilde der Himmel wirklich offen, wenn ich ihn nur ahnen dürfte und nicht sehen sollte!

Edwin. Dies mußte aber bei dieser Darstellung so sein, da der Raum beschränkt war. – Die beiden Portraits wirst Du aber doch vortrefflich finden?

Fedor. Wenn ich gestehe, daß ich andere dieses braven Meisters sahe, die mich noch mehr befriedigten und entzückten, so sei dies kein Tadel der gegenwärtigen. Die beiden kleinern Kreidezeichnungen von ihm, Göthe darstellend und Minister Nostitz, finde ich von der sprechendsten Aehnlichkeit. Die Sammlung solcher Portraits großer und merkwürdiger Männer, welche Prof. Vogel sich zeichnete, gehört zu dem Interessantesten, was man nur sehen kann; möchte ein Lavater einst darüber schreiben!

Der Vater. Kinder, kommt hierher! Seht dieses Portrait, welches Matthäi, der Professor, malte, und gesteht’s, Besseres gibt es nichts auf der ganzen Ausstellung.

Fedor. Ja, hier ist Natur, Wärme und Leben! Wie genial ist der Kopf dieses polnischen Generals aufgefaßt, Tapferkeit, Feuer und ritterliche Galanterie aussprechend

Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden. Brockhaus, Leipzig 1824, Seite 978. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Literarisches_Conversations-Blatt_1824_Kunstausstellung_Dresden_2.djvu/2&oldid=- (Version vom 7.12.2024)