im echt nationellen Sinn. Wie kühn blickt er aufwärts, wahrlich, der aufsteigende Pulverdampf ist der wahre Hintergrund für diesen herrlichen Kopf! Schön und leicht ist der Mantel über die linke Achsel geworfen; trefflich sind die Hände gemalt; die Rechte hält ein Perspectiv, um den kühnen Blick des Helden noch zu beflügeln. Es ist schön gedacht und meisterhaft ausgeführt bis auf jede Kleinigkeit.
Rosa. Dies Heldenbild fesselt Euch Alle und Ihr übersetzt ganz die schönen stillen Cecilien, die mich innig anziehen. Welche findest Du vorzüglicher, Fedor, jene dort im kleinern Maßstab in ganzer Gestalt, welche die Harfe im Arm hält und so überaus zart ausgeführt ist – sieh ihre edeln Züge, die wunderschönen Händchen, den feingelegten Schleier, das enganschließende mit Perlen besetzte paille Gewand –, oder gefällt Dir diese größere besser, die so schwärmerisch aufwärts blickt, während ihre Hände auf den Tasten der Orgel ruhen?
Fedor. Beide sind mit Fleiß, Sinn und Liebe gemalt; die Ausführung ist an beiden vollendet zu nennen; doch lache nicht, wenn ich bei beiden eigentlich die Musik vermisse, besonders aber bei der erstern, deren Harfe überhaupt so müßig im Arm ruht, sie sind von keinen Harmonien umwogt; hier finde ich weder die glühende Begeisterung einer Rafael’schen Cecilia, welche selbstvergessen auf die Gesänge der Engel lauscht, noch die stille innere Seligkeit, womit eine Cecilia des C. Dolce sich in das Reich der Klänge versenkt. Die trübe Wehmuth der erstern paßt so wenig zur Cecilia als die Harfe, da gerade diese Heilige durch die Erfindung der Orgel die früher übliche Harfe bei der christlichen Gottesverehrung verdrängte. Trefflich ausgeführt in einem Styl, der sich sehr dem des van der Werff nähert, ist aber diese Cecilia von Hrn. Rensch. Begeisterter ist wol die andere, vom Inspector Schmidt; ihr würde ich unter beiden den Preis ertheilen. Auch dieser Johannes und die Madonna von demselben Künstler sind in einem edeln reinen Styl, ich sahe aber in seinem Attelier ein Madonnenbild, welches mir noch ungleich lieber ist. Möge heitere Lebensfreude diesem wackern Künstler erblühen; es liegt eine gewisse Strenge in seinen Werken, von der man jetzt noch nicht ganz bestimmen kann, ob sie zum echt Grandiosen führen werde oder zu einer Art von Härte; innerer Frohsinn würde hier am sichersten leiten. –
Die Tante. So einen Ueberrock lasse ich mir gewiß machen, wie ihn die Dame trägt, die dort im Grünen sitzt, aber versteht sich, mehr um ihn in’s Theater und zu Morgenbesuchen zu tragen, als zur Promenade, da verliert man sich ja mit diesem matten Grün ganz unter die Büsche, das relevirt gar nicht und ist schlecht berechnet, um Wirkung zu machen.
Edwin. Prof. Rößler scheint es sich zur Kunstaufgabe gemacht zu haben, dies lebensgroße Portrait mit lauter so matten eintönigen Farben zu umgeben und zu zwingen, daß es sich doch sehr gut heraushebt. Die Landschaft im Hintergrunde, welche die Aussicht von Findlater’s Weinberg herab zeigt, wird wol selten in der Natur so staubig und farblos erscheinen; indeß gestehe ich, daß dies Bild mir weit besser gefällt als das männliche Portrait desselben Meisters.
Der Vater. Es ist doch eine gewaltige Verschwendung, so eine große Leinwand zu nehmen, wie hier bei dieser heiligen Barbara, um dann eine einzige kleine Figur darauf zu malen und übrigens lauter Wolken: denn die Engel dort oben sind kaum für etwas zu rechnen.
Fedor. Bestimmteres Studium der Legenden wäre wol den Künstlern zu empfehlen, die solche Gegenstände wählen, um individuellem Charakter hineinzubringen. Es ist indessen ein gefälliges Bild unsers fleißigen Arnold, und wird auf einem einsamen Altar seine Wirkung nicht verfehlen.
Die Mutter. Mir gefallen jene beiden Portraits von Baumann; sie sehen so natürlich aus, daß man vergißt, daß sie gemalt sind.
Fedor. Weil mehr sprechen mich indeß diese beiden männlichen Köpfe von Prof. Bosse an; besonders der Greis mit den weißen Locken ist überaus geistvoll und lebendig; Behandlung und Styl gefallen mir in beiden sehr. Vortrefflich ist auch dies Portrait Grassi’s in halber Lebensgröße, nach Grassi vom Prof. Schrenel; dies ist Ton und Farbenschmelz. Die Miniaturen desselben Meisters sind zart und lieblich. Aber dort steht unsere Rosa mit begeistertem Blick; was zieht Dich so mächtig an?
Rosa. Diese herrlich großartige Natur auf der Landschaft hier, die Prof. Friedrich nach einer Zeichnung des geistvollen Carus malte. Sieh, Fedor, wie die Gebirgsmassen sich himmelan thürmen; wie mannichfaltig ist ihre Färbung und Gestaltung, wie zart der magische Duft, der Lebensodem der Natur, der sie umweht! Ich könnte niederknien und beten vor dieser heiligen Größe der Urgebirge; ich könnte weinen über dieses absterbende Bäumchen, welches zwischen den schroffen zackigen Felswänden so einsam steht und vergeht! Wie eine erhaben, Kirchenmusik, so spricht diese Landschaft zu meiner Seele, Sehnsuchtweckend, Wünschestillend! Wie schön glänzt jener reine Schnee, der die nie betretnen Gipfel umhüllt, von dem rosigen Sonnenstrahl geküßt in stillerrötdendem Schimmer!
Fedor. Uebersieh auch das andere Werk des genialen Friedrich nicht, das Eismeer, ganz so wie wir es aus des wackern Parry’s Schilderungen kennen; es ist schön in seiner starren feindlichen Größe.
Rosa. Ja wol, doch möchte ich es nicht immer vor Augen haben; entzückend finde ich aber jene Ruine einer gothischen Capelle, in deren düstere Grabgewölbe glühender Abendsonnenschimmer einströmt. Wie spielt das freundlich jugendliche Licht um das alternde moosige Gestein, welches umzogen ist vom rankenden Gestripp, und wo überall zwischen den einsinkenden verwitterten Erinnerungen der Vorzeit blühendes Leben der Pflanzenwelt
Unbekannt: Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden. Brockhaus, Leipzig 1824, Seite 979. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Literarisches_Conversations-Blatt_1824_Kunstausstellung_Dresden_2.djvu/3&oldid=- (Version vom 7.12.2024)