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Seite:Literarisches Conversations-Blatt 1824 Kunstausstellung Dresden 2.djvu/6

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reizend um das interessante Gesicht schmiegen, ist doch zehnmal schöner als Deine Judith!

Fedor. Es ist das Portrait einer erhabnen Monarchin, lieblich gemalt vom Professor Bosse; doch ich gestehe es, die Darstellung ist so durchaus modern und französisch, daß der Contrast mit jener danebenhängenden im echt altitalienischen Styl gemalten Judith auffällt und reichen Stoff zu Betrachtungen gibt. Ungemein schön ausgeführt ist der Dom zu Freiburg von dem berühmten Quaglio; und die kleinen italienischen Landschaften von Helmsdorf und Klein sind interessant und gehören zu den willkommnen Fremdlingen.

Edwin. Um so weniger befriedigt mich jenes Mädchen mit der Guitarre, und die sogenannte heilige Familie daneben! Frühere Arbeiten der Künstlerin, die beide schuf, berechtigten zu höhern Erwartungen. Haben die großen und interessanten Reisen, die sie jetzt machte, sie so verlockt in das Reich des Manierirten und Modernen, so ist es sehr glücklich, daß sie sich nun nach Süden wendet, um ihr Auge an ernster Größe zu stärken und ihren Sinn über Tändelei zu erbeben.

Rosa. Sei nicht zu hart, Bruder! Das Colorit des Mädchens ist wol kalt, aber in dem Köpfchen finde ich doch Grazie und Seele, wenn schon einen Ausdruck, der ganz an Greuze erinnert; und wenn die Familie nur nicht gerade die heilige sein wollte, so wäre es ein angenehmes Bildchen. Der Joseph gefällt mir am besten darauf.

Der Vater. Sonderbar finde ich den Contrast. Wie herrlich hier dies Rebhuhn, nebst anderen Geflügel, von Friedrich gemalt ist, mit welchem Fleiß und zarter Sorgfalt; und wie flach, flüchtig, incorrect und unbefriedigend die allegorische Skizze darüber, die Religion darstellend! Wahrlich, jenes anspruchslose, aber vollendete Bild kann frömmere Gedanken erwecken als solches leichtsinnige Geschmatter höherer Gegenstände!

Rosa. Wunderlich bunt finde ich die Zusammenstellungen in der letzten Abtheilung ; da drängt sich Alles übereinander, und Eines schadet dem Andern. Die schönen Kreidezeichnungen von Matthäi’s Schülern wirken da recht wohlthätig auf das Auge! Überhaupt ist es mir aber räthselhaft, warum die mehrsten der jungen studirenden Künstler, nachdem sie oft so überaus brave schöne Zeichnungen, sowol nach Gyps als nach Gemälden und selbst nach der Natur, liefern, an denen unsere Ausstellung gewöhnlich reich ist, dann plötzlich, sobald sie zum eigentlichen Malen übergeben, völlig verändert erscheinen und weder den reinen Styl noch die schöne Ausführung behalten, die sie sich schon ganz zu eigen gemacht zu haben schienen!

Fedor. Die Farbe wird für Viele eine verlockende Circe, und nach vielen Irrwegen und Erfahrungen wird ihr Zauber erst dienend, anstatt vorherrschen zu wollen. –

Rosa. Aus all dieser bunten Menge habe ich mir schnell meine Lieblinge gewählt; manches sehr Gute mag unter dem Uebrigen sein, mich spricht es aber nicht an. Reizend finde ich die Landschafts-Gemälde des Dr. Carus, besonders seine Phantasie über Musik: diese einsame Harfe, deren Saiten in nächtlicher Stille nur von dem Vollmondstrahl geküßt werden, die Aussicht zum Fenster hinaus auf die gothische Kirche, der tiefazurne Nachthimmel, Alles bringt eine zauberische Wirkung hervor; hier wird Malerei zur Musik und spricht so rührend und innig zum Herzen, wie Worte es kaum jemals vermöchten! Es liegt unnennbar viel in diesem Bildchen; mir erklingen alle Saiten des Herzens, und alle schmerzlich-süße Melodien des Lebens tönen wieder, wenn ich es betrachte!

Fedor. Das echt poetische Gemüth des edeln Künstlers spricht sich bedeutsam und zart in allen seinen Schöpfungen aus. Auch sein von innen hinter der Gardine beleuchtetes Fenster, um welches sich von außen dunkle Weinranken ziehen, reizt die Phantasie zum Dichten und Errathen. – Sehr interessant ist seine große Landschaft, die Aussicht vom Mont Anvert im Thale von Chamouny, getreu nach der Natur gezeichnet. – Recht wahr finde ich auf jener Landschaft von Lehmann das Geisterhafte der Beleuchtung dargestellt, wenn bei anbrechendem Tage der Mond untergeht. – Die Arbeiten des Hofmalers Kehrer aus Ballenstädt kommen seinen frühern nicht gleich; man sieht, wie sehr jeder Künstler es bedarf, immer treffliche Vorbilder vor Augen zu haben, wenn er nicht in Manier versinken soll. – Doch was sagst Du, Rosa, zu den Werken der bekannten braven Künstlerin Louise Seidler, die Früchte ihres mehrjährigen Aufenthalts in Italien sind?

Rosa. Die kleine Apollonia, nach Perugino, zieht mich am meisten an; der Engel Michael aus dem herrlichen Gemälde des Innocenzo da Imola erscheint mir hier doch zu sehr nur als Fragment oder Studien-Blatt, und diese Madonna, nach Rafael, hat wol etwas sehr Alterthümliches und einfach Unschuldiges, aber, möge es nun an mir oder an der Copie liegen, sie befriedigt und entzückt mich nicht. Dagegen gestehe ich, daß ich mit inniger Freude auf die heil. Katharina blicke, welche der erste Versuch eigner Erfindung der talentvollen Mathilde Schelcher ist; man sieht wol noch die ungeübte Hand, aber reines und zartes Gefühl spricht aus dem Ganzen.

Edwin. Ehe wir dies Zimmer verlassen, bitte ich um einen Blick auf den so überaus fleißig ausgeführten Aufriß der St. Lorenz-Kirche in Nürnberg, vom Director Reindel.

Fedor. Im ersten Zimmer bleibt uns noch Manches zu betrachten. Der Carton von Louise Seidler, die heil. Elisabeth vorstellend, wie sie aus ihrer Burg tritt, Almosen austheilend, zeigt von den ernsten Studien der Künstlerin; die Kinder und der Alte gefallen mir am besten, die übrigen Gestalten erinnern mich an manches andere Kunstwerk, doch glaube ich, daß das Ganze durch eine glückliche und kräftige Ausführung recht interessant werden kann. – Unter den

Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden. Brockhaus, Leipzig 1824, Seite 1010. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Literarisches_Conversations-Blatt_1824_Kunstausstellung_Dresden_2.djvu/6&oldid=- (Version vom 7.12.2024)