sehr vielen Portraits hier finde ich den alten männlichen Kopf von Aug. Richter ganz vorzüglich schön gemalt, voll Wahrheit und Leben; mit großem Glück scheint dieser junge Künstler sich in den Styl des Prof. Vogel einzustudiren. – Auch das Kniestück, ein junges Mädchen darstellend, mit einem Kornblumen-Kranz in der Hand, von dem jungen Demiani gemalt, zeichnet sich sehr vortheilhaft aus; es ist mit unendlicher Liebe und großem Fleiß ausgeführt und mit sehr gutem Geschmack angeordnet.
Rosa. Dies liebliche Bild fiel mir gleich bei’m ersten Eintritt auf. Desto weniger gefallen mir dies Jahr die beiden Portraits von Sattler, der früher so viel versprach. Die Aehnlichkeit ist unverkennbar, aber sie ist starr und kalt, der Geistesstrahl, die Lebenswärme fehlen; die Farbentöne sind grau, die Malerei selbst daran ziemlich nachlässig, nur die Stellung bei der ganzen Figur in Lebensgröße hat Leben.
Fedor. Betrachte dagegen die kleinen Darstellungen im niederländischen Styl und gestehe es, daß besonders die von Simon Wagner ganz allerliebst sind. Diese tyroler Bäuerin, die ihren Kindern lesen lehrt, ist trefflich, Alles ist naiv und ausdrucksvoll, lebendig und wahr in diesem Bildchen. Ich lobe es, daß mehre junge Künstler jetzt anfangen, sich dieses Fach zu wählen; eine tüchtige Natur ist mir lieber als ein verfehltes Ideal.
Edwin. Uebersieh aber nicht jenes brave Studienbild von Otto Schütz, einem Schüler des Prof. Hartmann, eine Gruppe verwundeter Krieger darstellend aus der antiken Heroenwelt, wobei die Gruppe des Ajax benutzt ist; auch die Portraits von Baumbach und Schröder verdienen Auszeichnung.
Rosa. Mich spricht besonders noch das nette kleine Bildchen vom Hofmaler Raabe an, dies neapolitanische Fuhrwerk, welches so leicht und fröhlich hinfliegt mit den lieblichen Südländerinnen, die eben von der Weinlese kommen; der leichtbekleidete Bursche, als Vetturino, die lustigen Gesellen, die hinten auf dem zweirädrigen mehr Flug- als Fuhrwerk stehen und neckend dem wandernden Tabuletkrämer zurufen; Alle athmet südliche Lust, Alles ist voll Geist und Leben! – Und die beiden sehr hübschen Copien, nach Dahl, von dem andern Raabe, verdienen wol auch Beachtung.
Fedor. Hier stimme ich Dir gern bei; eben so finde ich Funk’s Copie der herrlichen Madonna von Holbein ausgezeichnet schön; aber von den andern Copien, nach hiesigen Galerie-Gemälden, bin ich wenig befriedigt, die mehrsten sind schwerfällig und weit entfernt, den Geist und Ausdruck der Originale wiederzugeben. Recht brav finde ich dagegen die Zeichnung von Zöllner, die Malerei darstellend, nach dem Fresco-Gemälde unsers trefflichen Vogel. – Von den geschickten Schülern unsers wackern Bildhauers Prof. Pettrich ist wieder manche brave Arbeit hier, besonders gefällt mir die Hygiäa, von Neuhäuser erfunden, modellirt und in Gyps ausgegossen; es ist ein edler, reiner und schöner Styl in dieser Gestalt, so wie auch in dem trefflichen jugendlichen Christuskopf, nach Pettrich. – Die reiche schöngeordnete Arabeske, von Funk, nach der Natur modellirt, ist recht brav ausgeführt. – Doch, Vater, Mutter und Tante sind längst schon hinübergeeilt in die Säle der Industrie-Ausstellung, laß uns folgen und die Früchte so fleißiger und mannichfaltiger Anstrengungen betrachten!
Rosa. Der Ueberblick dieses reichausgestatteten Saales, mit seinen Nebenzimmern, ist interessant und schön. – Die herrlichen Porzellan-Waaren, die köstlichen Gold- und Silber-Arbeiten, die schönen Uhren und Instrumente, die zierlichen Schachspiele, die zarten Stickereien, die Garnituren schöngeschliffner sächsischer Edelsteine, die mannichfaltigen Gewebe, die künstlichen Maschinen, alles zeigt von reger Industrie und gesegnetem Gewerbfleiß. Zum erstenmal tritt diese Industrie-Ausstellung neben ihre Kunstschwester; wol darf sie es wagen, und gewiß zieht sie gerade eine große Zahl der Schaulustigen an. Doch ich gestehe es, ich liebe diese Vereinigung nicht, jedes einzeln erfreut mich mehr. Durch dies Nebeneinanderstellen wird bei Vielen nur die Ansicht bestärkt, die Werke bildender Kunst auch zu den Luxus-Artikeln und blos schmückender Zierrath zu rechnen, statt sich an die heiligere, tiefere Seelensprache darin zu halten. Mir erscheint nun einmal das Betrachten echter Kunstwerke wie ein ernster frommer Tempeldienst, da habe ich selbst in den Vorhallen die Verkäufer nicht gern.
Fedor. Sei billig, liebe Rosa; wer die Kunst mit dem Seelenauge betrachtet, der wird auch mit Achtung und Wohlwollen auf den Fleiß der Gewerbe blicken und im ausgebreiteten Handel den lebendigen Pulsschlag des Erdenlebens erkennen; nur für den Flachen hat nichts tiefere Bedeutung, für ihn sinkt Alles zum gehaltlosen Schmuck herab. Der Vaterlandsfreund aber freut sich der vielfachen Blüthen und ihres Gedeihens.
Unbekannt: Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden. Brockhaus, Leipzig 1824, Seite 1011. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Literarisches_Conversations-Blatt_1824_Kunstausstellung_Dresden_2.djvu/7&oldid=- (Version vom 7.12.2024)