Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/171

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Der König nahm drei Federn, blies sie eine nach der andern aus den Fenster seines Schloßes in die Luft. Die eine flog nach Abend, dahinaus mußte der älteste Sohn ziehn; die zweite flog nach Morgen, das war der Weg für den zweiten; die dritte fiel auf einen großen Stein herab, der nicht weit von dem Palaste war. Da mußte denn der dritte Sohn zu Hause bleiben, und wurde darüber noch von den Brüdern geneckt, daß er nun bei dem Stein das feine Linnenwebe suchen möchte, da hätt ers ganz nahe.

Die beiden ältern Brüder zogen hin, und der dritte aber setzte sich auf den Stein und weinte bis zum Abend. Da kam es ihm vor, als ob sich der Stein hin und her schöbe, und zuletzt war er auch fortgeschoben, und nun kam eine Marmorplatte mit einem Ring zum Vorschein. Als die aufgehoben war, fand er eine Treppe, die stieg er hinab und kam in ein großes unterirrdisches Gewölbe, da saß ein Mädchen am Webstuhl und webte Linnengarn.

Das Mädchen sah ihn in die Augen und fragte: „hast du geweint?“ – „Ja! sagte er, ich habe sehr geweint;“ und erzählte nun wie übel es ihm ginge. Da schenkte ihm das Mädchen ein Stück der allerfeinsten Leinwand und sagte: „feiner bringen es deine Brüder gewiß nicht!“

Als er wieder auf die Erde hinauf kam, war er eben so lange Zeit weggewesen als die Brüder, und wußte nicht, wie das zuging, denn es kam ihm vor, als sei er nur ein Stündchen unter der Erde gewesen.

Da nun Jeder dem Vater sein Stück Linnen vorzeigte, war des Jüngsten seins noch einmal so fein als der Andern ihre Stücken.

Nun hätte dem Jüngsten das Reich gehört, das machten ihm aber die Brüder streitig und meinten, es müße noch eine Probe gemacht werden.