Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/306

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kein Ritter gegen sie in die Schranken trat; aber der König und seine vier Ritter schmeicheiten ihr, das sei die Macht ihrer unbestreitbaren Schönheit, gegen welche ja keiner mit ehrlichem Herzen kämpfen könne. Da ward sie hoch entzückt und sagte bei sich selbst: „Das ist ja wahr; aber ich hätte mich selbst kaum für so schön gehalten!“

Schon wollte der Hof den Kampfplatz verlaßen, in dem sich kein Ritter gegen die Schönheit der Königin fände, als in der Entfernung eine Trompete erklang und bald darauf ein Ritter in die Schranken ritt[1], welcher mit überlauter Stimme behauptete, die alte Schachtel, die eine Königin sein wolle, sei die häßlichste Meerkatze auf Erden und die scheußlichste an Leib und Seele; Viola aber sei die Schönste auf Erden.

Da ergrimmten die vier Ritter und ritten, gegen alle Ehre und Sitte, alle Vier auf einmal auf den Angekommenen zu. Der aber tummelte sein Pferd und traf sie so gewaltig mit seiner Lanze, daß sie allzumal rücklings in den Sand stürzten, und ihre Rippen ihnen krachten. Dann ritt er zu den Schranken hinaus. Die Ritter aber, die vor denselben hielten, riefen: „Meerkatze! Scheußliche!“ und Alle zogen davon.

Der Ritter aber, der die vier Andern in den Sand gestreckt hatte, war Holdherz, bei deßen Ausruf die Königin in Ohnmacht gefallen war. Sie wollte dann ersticken, als sie ein wenig wieder zu sich selbst gekommen war; und als sie noch mehr zu sich selbst kam, raste und wüthete und tobte sie sehr, gleich einem grimmigen angeschoßenen


  1. Womit bei den alten Ritterkämpfen der mit Sand überlegte Kampfplatz umgeben war.