Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/308

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Sie fuhren nach dem Palast zu, aus welchem liebliche Töne erklangen. Die Königin empfing Violen und umarmte sie. „Sei willkommen, du liebes Herz! sagte sie, ich habe dich lange geliebt! Vergiß deine ruchlose Mutter und lebe hier glücklich!“

Viola lebte hier glücklich. Lust und Freuden wechselten und Alles, nur die Bitten, die Prinz Holdherz an Violen that, sich mit ihm zu vermählen, wechselten nicht; aber Viola wies diese Bitten standhaft ab. Sie versicherte den Prinzen, sie werde ihn ewig lieben, aber zur Vermählung mit ihm müße ihr Vater erst einwilligen.

„Der Vater wird sich dennoch um mich betrüben, obwohl er mich nicht lieben darf, sagte Viola eines Tages; aber ich möchte wohl wißen, was die Grunzau über mein Verschwinden ihm vorgebracht hat?“

Holdherz führte sie auf einen hohen Thurm, in deßen obersten Zimmer eine Marmortafel dicht neben einem Fenster stand. Unbekannte Zeichen standen auf der Tafel. „Lege, sagte er, deine linke Hand auf diese Tafel, und den kleinen Finger der rechten in dein Ohr, und schaue zum Fenster hinaus.

Sie that es und sahe und hörte. Die häßliche Grunzau erzählte dem König mit vielen Verwünschungen, Viola habe sich im Keller erhenkt, und der König weinte, sie aber schalt ihn seiner Thränen wegen. Dann sahe sie, wie die Grunzau ein hölzernes Bild in die Kleider Violas einhüllen, in einen Sarg legen und forttragen ließ zum Erbbegräbniß. Darnach sahe sie, wie viel Volks ihrem Sarge folgte und hörte wie es schluchzte und wie Einige sagten: „Die Königin hat sie vergiftet.“ Alsdann erblickte sie den König in seinem innerstem Gemach. Da saß er stumm und traurig vor einem Tisch mit Speisen, von