Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/345

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als der Apfel herabflog. Der war ein köstliches Spielstück für die kleine Verwaiste, und sie bracht ihm Tagelang nicht aus der Hand.

Einsmals um Abendzeit war die Amme mit dem Kinde zum Felsenbrunnen gegangen. Das Kind wollte eßen, aber die Amme hatte noch nicht Lust, in das Schloß zurückzukehren. Sie ging in das Gebüsch, um demselben Himbeeren zu suchen. Während deß spielte die Kleine mit dem Apfel, warf ihn in die Höhe und fing ihn wieder. Da mißlang ein Wurf und der Apfel fiel in den Brunnen, und im Augenblicke stand eine schöne Frau da.

Das Kind erschrack und meinte, es sei die böse Stiefmutter, von welcher sie immer gestoßen und geschlagen ward. Aber freundlich und liebkosend zog es die schöne Frau an sich, reichte ihm den Bisamapfel wieder, nahm es auf den Schooß und sagte: „Ich bin deine Pathe, du arme Verlaßene, und will mich deiner annehmen. Komm nur oft hieher, du sollst mich immer hier finden. Wenn du ein Steinchen in den Brunnen wirfst, so bin ich gleich bei dir. Aber spiele nicht mehr mit dem Apfel, sondern bewahre ihn sorgfältig. Wenn du einmal groß bist, soll er dir drei Wünsche gewähren. Aber schweige davon gegen Jedermann. Damit verschwand die Pathe.

Das Unglück hatte die Kleine schlau und klug gemacht. Sie nähete den Apfel in das Unterfutter ihres Kleides, und schwieg. Das kleine Ding verlangte von nun an oft zu dem Brunnen zur freundlichen Pathe. Die Amme konnte dem schmeichelnden Kinde nichts abschlagen, zumal da ihm das Vergnügen an dem Brunnen wie von der Mutter angeboren schien. War es aber erst an dem Brunnen, so ersann es immer einen Vorwand die Amme