Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/451

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nicht waren, als sie allein, und darum wurde sie mit Recht Wunderschön genannt.

Die Mutter machte ihr Töchterchen schon frühzeitig zu ihrem Abgott, und that dem schönen Kinde allen Willen, denn wenn es geweint hätte, so hätte es ja häßlich ausgesehen und hätte sich die Aeuglein roth weinen können. Da wurde denn das liebe Goldkind, welches der Mutter bald über den Kopf wuchs, eigensinnig, trotzig, schnippisch, gebieterisch, auffahrerisch und so wetterwendisch und launisch, daß es oft selbst nicht wußte, was es wollte. Dennoch sagten die Mutter und die Hofdamen, das Alles stehe ihm ganz unvergleichlich, aber in der Stadt, wo die Leute keinen Geschmack haben mochten, sagten sie überlaut, das sei Alles ganz unerträglich.

Mit der Zeit dachte die Mutter zuweilen selbst, wie die Leute in der Stadt, nur sagte sie es nicht laut, denn sonst hätte es das wunderschöne Kind sehr übel genommen, wäre böse geworden, und die Mutter hätte alsdann keine gute Stunde gehabt. Sie tröstete sie jedoch damit, daß sich Vieles wohl legen würde, wenn ihr Wunderschönchen erst so groß gewachsen wäre, daß sie einen Prinzen nehmen könnte. So groß wurde sie denn aber bald, und die Mutter ließ sie nun von hundert Malern abkonterfeien, welche die geschicktesten in der Welt waren, und jeder derselben mußte hundert Bildniße machen, welche die Königin an auswärtige Höfe, als echte Waare, versendete.

Kaum waren die Bildniße an den Königshöfen angekommen und nur ein einziges mal angesehen worden, so ging das Unheil los, denn viele Könige und Prinzen wurden närrisch, andere wurden ganz toll; einige wurden krank bis zum Tode, andere starben wirklich dahin wie Fliegen, und was nicht starb, das blieb am Leben und rannte in Schlafrock und Pantoffeln, durch dick und dünn, durch