Seite:Loens Der zweckmaessige Meyer.pdf/114

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

was später noch kommt, macht sich dabei seine Gedanken und hat auf diese Art ein billiges und bekömmliches Vergnügen.

Wie anregend ist z. B. nicht die Verfärbung des Laubes und der Blätterfall? Warum werden die Blätter erst gelb oder rot, ehe sie abfallen? Der Pflanzenphysiologe erklärt das durch gewisse chemische Veränderungen, die in dem Blattgrün vorgehen, und deren Hauptzweck darin besteht, daß im Spätherbste die Säfte der Blätter in den Baum zurücktreten. Na ja, das ist eine naturwissenschaftliche Erklärung, aber um die Natur zu verstehen, genügt die Naturwissenschaft durchaus nicht.

Der ernste und besonnene Forscher, den keine metaphysischen Anwandlungen und keine ästhetischen Sentimentalitäten von der geraden, aber etwas langweiligen Bahn der exakten Wissenschaft abbringen, wird hohnlachen, wenn man z. B. sagt: Die bunte Färbung des Waldes ist eine Art von Fastnachtkleidung. „Übermorgen ist Aschermittwoch, da fängt die magere Zeit an“, sagen die Bäume, und die Blätter, die das hören, nehmen sich diesen Wink zu Herzen, schmeißen sich in die verrücktesten Dominos und führen sich auf, als hätten sie Henkell trocken oder eine andere bessere Flüssigkeit im Leibe, bis sie müde und stark verkatert einen langen Schlaf tun.

Oder aber, wer auf den anthropozentrischen Standpunkt eingeschworen ist, also seine Wenigkeit und Seinesgleichen als das zu betrachten gewohnt ist, um das sich die ganze Natur dreht und auf das sie die gebührende Rücksicht nimmt, der wird vielleicht auf den ein wenig nach Einbildung schmeckenden Gedanken kommen, daß die Natur das so eingerichtet habe, damit der Mensch sich auf den Herbst freue und nicht, sobald dieser seine Visitenkarte abgibt, sich Heulen, Zähneklappern und ähnlichen unerfreulichen und unbekömmlichen Beschäftigungen hingebe. Wie gesagt, ist dieses eine Theorie, die auf wissenschaftliche Beweiskraft sehr wenig Anspruch machen kann; deshalb ist sie doch sehr hübsch und schon aus

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)