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zu vor, daß sie sich bei der Toilette verspätet, aber sobald die Suppe gegen die Stubendecke dampft, ist Amalie auch da und dann heißt es um den Tisch herum: „Wohl bekomm’s, Amalie!“

Obgleich man nicht sagen kann, daß Amalie sehr wählerisch ist, gibt es doch manche Speisen, die sie nicht mag. Gegen Gewürze ist sie sehr empfindlich; sie nimmt weder Pfeffer noch Salz, und Essig sowie Senf sind ihr greulich. Zucker dagegen liebt sie sehr und in jeder Form. Alkoholika verschmäht sie ebenfalls nicht, besonders dann nicht, wenn sie recht süß sind, wie Glühwein, Punsch und Sekt. Aber auch am Biere nippt sie, doch sehr vorsichtig, und noch niemals holte sie sich einen Schwips. Ein bißchen aufgekratzt wird sie allerdings immer hinterher.

Mittags, wenn die Sonne recht warm scheint, sitzt sie mit Vorliebe am Fenster und sieht hinaus, sehr zum Verdrusse unseres Zeisigs, der sie nicht ausstehen kann, und mörderlich schimpft, so lange sie in seiner Nähe ist. Sie aber macht sich gar nichts daraus und ärgert ihn dadurch, daß sie ihm immer näher rückt, bis er vor Wut hin- und herhüpft und so mit den Flügeln schlägt, daß er ein bis zwei Federn verliert. Wenn sie ihn soweit gebracht hat, verläßt sie das Fenster und begibt sich wieder in die Mitte der Stube.

Es gibt nichts, was sie nicht interessiert. Eine Viertelstunde lang vertieft sie sich in die Betrachtung einer alten bunten Schnapsflasche, auf der ein roter Fuchs gemalt ist, der an einem gelben Stocke auf der Schulter himmelblaue Würste trägt; auf der Rückseite steht: „Ich will zum Marchte laufen und meine Würste verkaufen.“ Wahrscheinlich gehörte die Flasche einem Schlachter namens Voß, meint Amalie.

Dann zieht sie ein malabarischer Kochtopf an, der mit seinem hellen Bronzeton ihre Aufmerksamkeit erregte; sorgfältig betrachtet sie die schon verwischten Schmucklinien unter seinem Halse. Aber gleich darauf besieht sie sich das eine

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)