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Frühlingsprobe.

Ein Silberglöckchen klingt durch den Wald. Die Kohlmeise läutet es. Sie sitzt auf dem Buchenzweig, in den Krallen eine dicke fette Spinne, und singt: „Spinn dicke, spinn dicke; de düre Tid is vorbei!“

Die Frau, die den Berg herunter kommt, denkt an ihre Mädchenzeit. „Spinn lütting, spinn lütting!“ so hatten die Mädchen das Lied der Meise im Winter ausgelegt und sie zogen den Faden dünn und fein vom Wocken.

Aber wenn der Schnee wegging und die Meise fröhlicher im Apfelbaum sang, dann ließen die Mädchen den Flachs dicker durch die Finger laufen, denn draußen sang der bunte Vogel: „Spinn dicke, spinn dicke!“

„Hähähä.“ Die Meise lacht heiser, denn sie hat gehört, was die Frau ihrem kleinen Mädchen erzählte. „Hähähä.“ Sie hat sich nie darum gekümmert, ob die Mädchen fein oder grob spannen, sie hat nur eine Bemerkung über die Beschaffenheit der Spinnen gemacht, die sie fing. Und weil sie heute eine dicke fing, darum klingt ihr Lied wie ein Silberglöckchen so lustig.

Der Haselbusch hat es gehört, und seine gelben Troddeln läuten im Takte mit. Ganz leise läuten sie; ein Mensch kann es nicht hören. Aber die kleinen pummeligen Haselweibchen hören es; schnell putzen sie sich mit drei rubinroten Federchen, die so zart und so dünn wie ein Seidenfaden sind.

Die Meise fliegt weiter und läutet ihr Glöckchen vom Dache der Gastwirtschaft. Dreimal ruft sie: „Titüdel, titüdel,

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)