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von Kräften gekommen. Mißmutig zwitschernd zickzackt sie im Garten herum, so daß ein junges Mädchen schon ein Attentat auf ihr reizend hellblond gefärbtes Wuschelhaar vermutet und quietschend in das Haus flüchtet. Die arme Speckmaus aber erwischt schließlich noch eine Motte, die langsam und plump durch den Garten flatterte. Aber da sie sich als besonnenes Wesen sagt: „Eine Motte macht noch keinen Frühling“ es ihr auch noch zu hell ist, so schlüpft sie wieder in die Luke, hängt sich kopfüber an den Dachsparren, wickelt sich die Flügel um den Leib und träumt von besseren Zeiten, in denen das Ungeziefer billiger ist.

Mit ähnlichen Hoffnungsträumen tröstet sich auch die Wasserspitzmaus, die da am Graben herumhuscht, über die magere Zeit hinweg. Sie schnüffelt hier, sie schnüffelt da, und quietscht ärgerlich dabei, denn ihr hin- und herzuckendes Rüsselchen trifft nichts, als mulmiges Holz und modriges Laub. Kurz entschlossen stürzt sie sich in eine Pfütze, so daß ein Buchfink, der da eben ein Bad genommen hatte, ängstlich lockend auffliegt, denn er glaubt, sie habe im Hungerwahnsinn Selbstmord verübt. Er macht aber große Augen, wie er sieht, daß sie ganz vergnügt unter Wasser herumläuft, wobei sie wie ein Stück Quecksilber aussieht. Dann taucht sie wieder auf und verschwindet in einem Moosloch.

Der Buchfink aber lockt. Er ist Strohwitwer; seine Frau kann das Klima hier nicht vertragen, sagt sie, und reist darum jeden Herbst nach Italien und Ägypten. Anfangs paßt ihm das gar nicht, und er machte ihr in jedem April schreckliche Eifersuchtsszenen, weil er annahm, daß sie sich da unten im Süden von irgend einem leichtsinnigen jungen Hahn mehr den Hof machen ließ, als sich das für eine verheiratete Frau schickt. Schließlich aber gewöhnte er sich daran, wenn er auch jeden Herbst über die teure Reise knurrt. Aber in innerster Seele beneidet er den Goldammerhahn, dessen Frau nie verreist, und den Ringeltäuber, dessen Gattin auch hier blieb,

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)