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Und die gelben und grünlichen und grauen Flechten an euren Stämmen sind überhaupt keine selbständigen Pflanzenpersönlichkeiten, sondern nur juristische Personen, Vereinigungen von Algen und Pilzen, und wenn die Farrne zu euren Füßen, diese Moralprotzen, ihre Sporenhäufchen stolz als Beispiele anständiger, geschlechtloser Vermehrung verweisen, ich weiß, was sie trieben, als sie noch jung waren und in aller Heimlichkeit, im Mulme, der wilden Liebe huldigten, und daß der Pilz da ein ganz unzuverlässiger Vertreter ist, von dem man nicht weiß, gehört er zu den Pflanzen oder zu den Tieren, das ist mir wohl bewußt.

Ich sitze auf einem Steine und lege Bein zu Beine, wie Walter von der Vogelweide, halte den rechten Zeigefinger an die Nase, denke: „Hm!“ und starre nach demselben Aronstab von vorhin. Mit den Menschen bin ich fertig, vor den Tieren graut es mir, und nun ist mir auch der Glaube an die Flora abhanden gekommen.

Das kommt davon, wenn man klüger als andere Leute sein will, klüger als zum Beispiel das Fräulein dort, das in der Wiese Blumen bricht, als die Kinder, die dort Himbeeren pflücken, als der Bauer, der mit der Sense auf der Schulter hinter mir her geht.

Alle Philosophie ist dummes Zeug; am meisten die Naturphilosophie.

Komm her; wollen uns wieder vertragen, oller Aronstab!

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)