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Besser wäre es gewesen, er hätte das Tier politicus benamset, denn es besitzt eine ungemeine Anpassungsfähigkeit. Hier, wo wir Sandboden haben, ist es schwarz; dort weiterhin im Lehmlande wird es immer brauner, und dahinten endlich in den Bergen auf dem strengen Kalke prangt es im allerlinkesten Feuerrot. Noch bunter benimmt es sich in der Jugend; da gibt es einfarbige, gestreifte, halbgestreifte, rote, gelbe, braune, grünliche, aschgraue, eselsgraue, und so weiter und so weiter und so weiter. Drei Jahre habe ich dieses unzuverlässige Gesindel gezüchtet, unter roten, blauen, gelben, grünen, weißen und schwarzen Glasscheiben, es mit reiner Pflanzen-, Tier-, Pilz- und gemischter Kost gefüttert, es kalt und warm und heiß gehalten, es überernährt und hungern lassen, und nicht herausbekommen, warum die Jungen bald so, bald so gefärbt sind, und wenn nicht unsere neue Magd in ihrer kindlichen Einfalt eines Tages alle Zuchtkästen ein wenig geöffnet hätte, „damit die Tiere Luft kriegen“, wie sie sagte, so züchtete ich wahrscheinlich heute noch Wegeschnecken, ohne dem Gesetze der Farbengesetzlosigkeit der Jugendform dieses Schneckenchamäleons wahrscheinlich auch nur um einen Schritt näher gekommen zu sein, als an jenem Tage des Grauens, da nicht nur meine Zuchtkammer, nicht nur mein Arbeitszimmer, nicht nur meine ganze elterliche Wohnung, sondern überhaupt das gesamte Haus von jungen Arions wimmelte und ich allen Menschen alles andere eher, als ein Wohlgefallen war.

Schließlich überwand ich meinen Kummer und gab es auf, hinter die Geheimnisse der Farbenlehre der großen Wegschnecke zu kommen, bot mir dieses Geschöpf doch so noch Rätsel über Rätsel. Ich war nämlich als Studio im Nebenamte unbesoldeter Wärter im Zoologischen Garten zu Münster und widmete mich besonders den Tieren, die nach meiner Meinung nicht rationell genug gefüttert wurden, versorgte die Meerkatzen mit Spatzen, damit sie sich nicht die eigenen Schwänze

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)