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hätten, da erst ging mir die Schauderhaftigkeit jener Zeit in ihrem vollen Umfange auf. Übrigens macht man aus diesen Tieren in manchen Gegenden ein ausgezeichnetes Hustenmittel, indem man sie mit Zucker bestreut und den auf diese einfache Art gewonnenen Syrup Kranken einflößt, worauf diese aus Angst, noch mehr davon ausstehen zu müssen, sich sofort das Husten verkneifen. Dieselbe Bewandtnis wird es auch haben, wenn Frachtkutscher, die schlecht geschmiert haben, diese Schnecken statt der Wagenschmiere gebrauchen; denn ich kann mir denken, daß selbst eine Radachse aus Angst vor einer zweiten Auflage sich fürder lautlos benimmt.

„Wozu sind nun aber diese Tiere eigentlich da?“ höre ich Sie fragen. Ja, das ist schwer zu sagen, wie bei den meisten Tieren, denn die Natur ist in dieser Beziehung sehr zurückhaltend und verweigert meist jede Auskunft. Jedenfalls, das steht fest, sind sie nicht dazu da, daß sich der Gärtner oder der Bauer über sie elend ärgert, wie über die kleine graue Ackerschnecke, die in Garten und Feld übel haust. Die große Wegeschnecke frißt nämlich, wie der brave Regenwurm, grundsätzlich keine jungen und gesunden Blätter, sondern genießt nur absterbende und faule Pflanzenteile, was doch entschieden ein netter Zug von ihr ist, wenn auch wohl ihr einziger. Der schönste Salat und der üppigste Kohl läßt sie kalt; sobald ein Blatt welk und ein Stengel faul ist, sofort ist sie da und veranlaßt das Erforderliche, damit diese unnützen Gegenstände wieder dem Kreislaufe aller Dinge zugeführt werden. Sie ist also eine Art von botanischem Aasgeier und mithin ein ganz wichtiges Tier, zumal sie es nicht so genau nimmt und auch mit zertretenen Regenwürmern und toten Mäusen und was es sonst noch an unliebsamen Gegenständen auf Wegen und Stegen gibt, gründlich aufräumt.

Sie gehört also zu dem großen Heer der Gesundheitspolizisten der Natur, und wenn sie auch nicht Anspruch auf unsere Zuneigung machen kann, unsere Achtung dürfen wir

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)